In einem Moment bin ich glückselig unter dem Blätterdach uralter Baumriesen gewandert – und im nächsten musste ich daran denken, dass diese Riesen einst nicht nur die kleine Fläche der heutigen Nationalparks, sondern ausufernde Gebiete besiedelten, bis die meisten von ihnen den Motorsägen zum Opfer fielen. In einem Moment habe ich mich unbändig über die Sichtung eines Pfeifhasen gefreut, der ausnahmsweise nicht die Flucht ergriff, sondern ganz in meiner Nähe auf dem Felsbrocken sitzen blieb – und im nächsten musste ich daran denken, dass die possierlichen Tierchen, die wie zu groß geratene Hamster aussehen, hochgradig vom Klimawandel bedroht sind.

Meine Reisen und Wanderungen der letzten zehn Jahre haben mir nicht nur die Augen für die Schönheit und Einzigartigkeit dieses Planeten geöffnet, sondern auch für seine fortschreitende Zerstörung. Und für die Notwendigkeit, diese Natur zu schützen, oder zumindest den Schaden einzudämmen, denn vieles ist ja leider schon unwiderruflich geschehen.

Der nordamerikanische Pfeifhase (Pika) kann Temperaturen über 25 Grad Celsius nicht lange ausgleichen. Und vor der Erderwärmung flüchten kann er auch nicht, denn vielerorts lebt er schon ganz oben in den Bergen.

Es war oft schwierig für mich, und es wird immer schwerer, die richtige Balance zwischen Hinsehen und Wegsehen zu finden. Die Welt da draußen einfach nur zu genießen, ohne ständig darüber nachzudenken, was aktuell mit ihr geschieht. Doch genau das möchte ich manchmal tun. Nicht nur für mich selbst, sondern auch, weil ich denke, dass diese verrückt schöne Welt unsere ungetrübte Begeisterung verdient hat.

Dennoch kann ich nicht außer Acht lassen, dass Natur an vielen Orten der Welt nicht mehr viel mit der Idylle zu tun hat, die ich mir oft und gerne herbeisehne. Je mehr ich über den Status Quo und seine zukünftige Entwicklung lese, höre und sehe, desto unmöglicher wird das. Dann sehe ich viel zu oft keine Wälder, sondern Plantagen. Keine Flüsse, sondern Kanäle. Und keine schönen, grünen Wiesen, sondern künstlich geschaffene Monokulturen und Futterproduktion für die Nutztierhaltung. Selbst die unberührtesten Gegenden der Welt sind mittlerweile von Menschen beeinflusst, allein schon durch die Erwärmung des globalen Klimas. Es hängt alles zusammen, jede Tat hat Folgen, und das oft auch dort, wo wir es gar nicht sehen.

Mit jedem Schnitzel stirbt ein Stück Regenwald, mit jedem Flug schmilzt ein Stück Eis – vereinfacht formuliert, aber im Grunde doch erschreckend wahr. Allein die Flugreisen und Roadtrips, über die ich in diesem Blog berichte, haben unzählige Tonnen CO2 verursacht. Spenden an Umweltschutzprojekte, die Tatsache, dass ich mich seit über zwölf Jahren vegan ernähre und auch sonst versuche, bei vielen Dingen möglichst nachhaltig zu handeln – all das kann diese Flüge und Autokilometer nicht ungeschehen machen.

Ja, das Motiv für eine Reise ist in den allmeisten Fällen ein sehr egoistisches. Die wenigsten von uns reisen primär, um die Welt irgendwie besser zu machen. (An dieser Stelle möchte ich kurz anmerken, dass Menschen wie Greta Thunberg und Luisa Neubauer meinetwegen Goldstatus bei sämtlichen Airlines der Welt haben dürften.) Dennoch hat der Tourismus auch viele gute Seiten. Unzählige Menschen weltweit sind direkt vom ihm abhängig, hätten ohne ihn überhaupt keine Lebensgrundlage. Und auch in Hinsicht auf Natur- und Artenschutz hat das Reisen durchaus positive Auswirkungen. Allein schon weil Touristen möglichst unberührte, artenreiche Natur, plastikfreie Sandstrände, saubere Flüsse sehen möchten. Viele geschützte Gebiete oder von öffentlichen Geldern geförderte Artenschutzprogramme gäbe es vermutlich überhaupt nicht, wenn diese nicht auch touristisch und damit wirtschaftlich relevant beziehungsweise überhaupt erst finanzierbar wären. Diese Abhängigkeit ist natürlich letztendlich nicht gut, aber sie ist nun mal Realität und auch nicht so einfach von heute auf morgen zu ändern.

Viele Natur- und Artenschutzprojekte sind direkt oder indirekt vom Tourismus abhängig. Zum Beispiel weil Nashorn-Schutz letztendlich eben doch lukrativer ist als Nashorn-Wilderei.

Und auch die Tatsache, dass alles miteinander in Verbindung steht, hat durchaus etwas Gutes an sich. Denn dadurch ist es gar nicht so schwer, etwas dafür zu tun, dass sich die Situation wieder bessert. Dadurch kann man quasi auch von Deutschland aus den brasilianischen Regenwald retten. Mit (überwiegend) pflanzlicher, regionaler und saisonaler Ernährung zum Beispiel. Mit dem Kauf nachhaltiger Outdoor-Bekleidung und Ausrüstung, für Mensch und Tier fair produziert, welche mittlerweile auch in der Outdoorbranche einen immer größeren Stellenwert einnimmt. Mit der sorgfältigen und informierten Auswahl von Reise- und Touranbietern, Unterkünften, Restaurants hinsichtlich ökologischer und sozialer Standards. Und natürlich auch mit einem möglichst bewussten und nachhaltigen Reiseverhalten und einem gewissen Verzicht auf Flugreisen.

Besonders Letzteres ist für all jene von uns, die sich nach Weite und größtmöglicher Wildnis sehnen, so wie ich es tue, der wohl härteste Schritt. Denn so sehr ich auch gelernt habe, mich für jede Art von Natur zu begeistern, egal ob in Südafrika oder im eigenen Vorgarten – die Art tiefen Glücks und grenzenloser Freiheit, die ich verspüre, wenn ich mein Zelt in der Patagonischen Steppe oder dem australischen Outback aufschlage, wenn ich Buckelwale in Alaska sehe oder Elefanten in Südafrika, die ist in großen Teilen Europas nicht immer so leicht zu finden.

Es gibt auch gute Nachrichten: Gerade erst (09/2021) hat die Regierung Westaustraliens bekannt gegeben, dass ab 2024 die noch verbleibenden, natürlich gewachsene Wälder nicht weiter abgeholzt werden dürfen.

Nun könnte man sagen, dass dieser Schritt jemandem, der schon in Patagonien und Alaska, in Australien und Zentralasien war, leichter fällt. Aber ehrlich gesagt wurde diese Sehnsucht mit jeder Reise in die wilden Gegenden dieser Erde in gewisser Weise nur noch stärker. Und dennoch habe ich meine Flugreisen mittlerweile sehr stark eingeschränkt und überlege mir ganz genau, wann ich wie und wo hinreise, was ich dort tue, wie lange ich bleibe.

Ja, es gibt viele Probleme, die nur auf politischer und nicht auf individueller Ebene lösbar sind. Die sogar unbedingt dort gelöst werden müssen, und zwar möglichst schnell. Ich wehre mich sehr gegen die aktuellen Bestrebungen von Wirtschaft und Politik, die Verantwortung in hohem Maße auf Einzelpersonen abzuwälzen, während diejenigen, die in richtig kurzer Zeit richtig viel bewegen könnten, es einfach nicht tun. Kohlekraftwerke schaltet man nun mal nicht mit dem Kauf von Mehrwegbechern ab. Und den Ausbau von Autobahnen verhindert man nicht mit dem Kauf eines Lastenfahrrads. Außerdem kann es ja wohl nicht sein, dass man mühsam jede Zutatenliste nach Palmöl und Konsorten absuchen muss, um bloß nicht mit dafür verantwortlich zu sein, dass am anderen Ende der Welt die Orang-Utans sterben.

Nein, als einzelner Mensch kann man isoliert betrachtet nicht so richtig viel bewegen. Gleichzeitig kommt echter Wandel nur, wenn einzelne Menschen mitmachen, und zwar viele davon. Das müssen nicht alle sein, aber eine kritische Masse. Letztendlich kann Umweltschutz nur so funktionieren. Aber letztendlich steht für mich am Ende auch nie nur die Frage, was andere tun, sondern vor allem die, was ich selbst tue und getan habe.

Ein Teil der Ausbeute eines Cleanups, das ich mit WDC (Whale and Dolphin Conservation) an der Isar organisiert habe. Ein Tropfen auf den heißen Stein? Leider ja. ~650 Kippen weniger im Wasser und Aufmerksamkeit für das Thema? YEAH!

Ich kam irgendwann an den Punkt, an dem mein Reiseverhalten und meine Liebe zur Natur nicht mehr vereinbar waren. An dem ich nicht mehr so weiterreisen konnte und wollte wie bisher, auch wenn es das ist, was mich mitunter am glücklichsten macht und womit ich sogar mein Geld verdiene. Dabei bin ich nicht perfekt, und werde es auch niemals sein. Niemand kann das überhaupt sein. Allein schon, weil die Systeme, in denen wir nun mal leben, überhaupt nicht auf Nachhaltigkeit ausgelegt sind.

Unter diesen Umständen ist stetiges Streben nach Perfektion eher kontraproduktiv, weil es vor allem zu einem führt: Großer Frustration. Und daraus resultierender Untätigkeit. (Noch frustrierender sind nur Menschen im Internet, die es gefühlt zu einem regelrechten Sport gemacht haben, von genau jenen Menschen lautstark Perfektion zu verlangen, die sowieso schon vergleichsweise viel tun. Hört bitte auf damit! Wenn ihr diejenigen niedermacht, die für die selbe Sache kämpfen, seid ihr ein Teil des Problems und kein Teil der Lösung.)

Letztendlich brauchen wir aber auch gar keine perfekten Menschen, sondern vor allem solche mit Hoffnung und dem Willen, etwas zu ändern, ohne direkt illusorische Maßstäbe an sich selbst oder andere anzulegen. Wir brauchen Menschen, die meistens vegan essen, aber sonntags auch mal Käsebrot. Die sich bewusst für den Schwarzwald-Urlaub und gegen Mallorca entscheiden, und trotzdem ihre beste Freundin in Los Angeles besuchen. Die freitags für diesen Planeten auf die Straße gehen und so Druck auf diejenigen ausüben, die an den längsten Hebeln sitzen, und sich dafür per Facebook-App auf dem iPhone organisieren.

Umweltschutz, egal ob es nun um Reisen, Ernährung oder Konsum geht, ist keine Frage von “schwarz oder weiß”, von “ganz oder gar nicht”. Allein schon, weil viele Zusammenhänge viel zu komplex und vielschichtig sind und weil die Frage nach Richtig und Falsch oft gar nicht so leicht zu beantworten ist. Wir können (und müssen) nicht alles perfekt machen, aber wir können (und müssen) auf jeden Fall etwas tun. Und die Plastikzahnbürste durch eine Variante aus Bambus zu ersetzen wird da leider nicht ganz reichen.

wandern schorfheide brandenburg
Echte Wildnis gibt’s in Brandenburg zwar nicht, ein Gefühl von Wildnis aber durchaus!

Jede Wanderung beginnt mit dem ersten Schritt, und wenn man viele kleine Schritte in die richtige Richtung macht, findet man sich plötzlich an einem Ort wieder, der zu Beginn der Reise noch unerreichbar schien. Diese Erfahrung habe ich in den letzten Jahren so oft gemacht, egal ob ich nun drei Monate durch Großbritannien gewandert bin, ein Buch geschrieben oder meine Steuererklärung gemacht habe.

Ich möchte definitiv viele kleine Schritte gehen. Bonbonpapier am Wegesrand aufheben. Die Kröte über die Straße tragen. Die Außenbeleuchtungen nachts ausschalten, damit ein paar mehr Falter die Nacht bevölkern können. Aber ich möchte auch große Schritte gehen. Diejenigen unterstützen, die durch konkretes Handeln und politische Agenden für den Schutz der Natur eintreten zum Beispiel. Oder öfter mal wieder ein Bahnticket nach Brandenburg kaufen und kein Flugticket nach Los Angeles.

Ich bin fest davon überzeugt, dass die Welt ein besserer Ort wäre, wenn Menschen wieder mehr Zeit in der Natur verbrächten. (Wieder) lernten, einen Feldsperling vom Haussperling zu unterscheiden, und vielleicht auch mal einen Braunbären vom Schwarzbären (Spoiler: Die Farbe ist es nicht!). Und echte Abenteuer erlebten, kleine und große, für einen selbst und nicht für Instagram. Diese Überzeugung ist einer der wichtigsten Gründe, warum ich auf diesem Blog seit mittlerweile acht Jahren meine Geschichte teile. Und diese Überzeugung gibt mir auch Hoffnung, wenn ich sehe, dass Wandern Trendsportart wird, Gravelbikes bis ins Jahr 2348 ausverkauft sind und es wieder cool ist, Pilze zu sammeln oder Vögel zu zählen. (Ist es doch, oder?!) So wird Naturschutz nämlich von einem abstrakten Konstrukt zu einer persönlichen Angelegenheit. Zu etwas, für das wir uns nicht einsetzen müssen, sondern einsetzen wollen. Und zu etwas, bei dem wir nicht verzichten müssen, sondern vor allem gewinnen können.

„Doch die Liebe zur Wildnis ist mehr als der Hunger nach etwas nie zu Erlangendem. In ihr drückt sich auch unsere Loyalität gegenüber der Erde aus, jener Erde, die uns gebar und uns ernährt, die einzige Heimat, derer wir habhaft sind, das einzige Paradies, dessen wir bedürfen – hätten wir doch nur Augen dafür.“ [Edward Abbey, “Die Einsamkeit der Wüste“]

(M)ein Tipp für nachhaltigeres Reisen

In der öffentlichen Wahrnehmung bewegt sich CO2-Kompensation irgendwo zwischen modernem Ablass-Handel und “bringt doch sowieso nichts”.  Ehrlich gesagt habe ich selbst lange damit gehadert, aus genau diesen Gründen, obwohl für mich Natur- und Tierschutz schon immer ziemlich wichtige Themen waren.

Während die Kompensationszahlung natürlich keinesfalls zu einem Freifahrtschein fürs Jetset-Leben werden sollte und Emissionen nicht ungeschehen machen kann – Emissionen zu vermeiden sollte immer das oberste Ziel – kann sie durchaus einen wichtigen Beitrag zu einem nachhaltigeren Reiseverhalten leisten. Und der Gedanke, dass “das sowieso nichts bringt”, gehört für mich der Vergangenheit an, seit ich Wilderness International entdeckt habe.

Wilderness International ist eine Stiftung, die mithilfe von Spenden bzw. Patenschaften ökologisch wertvolle Wildnisgebiete in Kanada und Peru mit Grundbucheintrag aufkauft und so den dauerhaften (!) Schutz dieser Regionen gewährleistet. In diesen Urwäldern sind große Mengen Kohlenstoff gespeichert, die durch ihren Fortbestand nicht freigesetzt werden. Gleichzeitig sichern die Wälder ein stabiles Klima und bewahren unglaublich wertvolle Lebensräume und mitunter stark bedrohte Tier- und Pflanzenarten.

Der Schutz intakter Natur ist wohl eine der wichtigsten und eigentlich auch eine der einfachsten und logischsten Maßnahmen im Kampf gegen Klimawandel und Artensterben. Und zudem (zumindest in diesem Fall) sogar noch verhältnismäßig günstig: Mit einem Euro kann man über Wilderness International etwas mehr als einen Quadratmeter Regenwald schützen. 16 Quadratmeter entsprechen der Kompensation von 1,68 t CO2. Das entspricht je nach Berechnungsart in etwa einem Langstreckenflug oder einem ausgedehnten Roadtrip mit dem Wohnmobil. (Wobei man natürlich nicht erst eine “Umweltsünde” begehen muss, um eine Wildnispatenschaft abschließen zu können.)

Und mal ehrlich: Wie cool ist das bitte, dass man so die Möglichkeit bekommt, “mal eben” ein Stück Wildnis langfristig und höchst effektiv zu schützen? Innerhalb von ein paar Minuten? Vom heimischen Wohnzimmer aus?

Mehr über Wilderness International kannst du hier nachlesen, deinen Reise-CO2-Abdruck kannst du hier berechnen und hier geht’s direkt zu den Wildnispatenschaften. Weitere Hintergrundinfos und aktuelle Zahlen findet man im aktuellen Impact-Report.

Hinweis zur Transparenz: Diese Empfehlung ist nicht beauftragt und ich habe keinerlei Gegenleistung erhalten.

 

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