Wildcamping in Europa: Es ist (und bleibt) kompliziert. Mal abgesehen von unseren nördlichsten Nachbarn mit ihrem Jedermannsrecht ist eine Nacht unter der Sternen in den meisten europäischen Ländern theoretisch nicht erlaubt. Auch wenn viele Ausnahmen die Regeln bestätigen und Verstöße gegen jene Regeln ganz unterschiedlich gehandhabt werden.

Aber manchmal gibt es auch positive Nachrichten von der Wildcamping-Front für alle, die das Schlafen unter den Sternen lieben: Und zuletzt kamen die aus Polen. Unser Nachbarland hat nämlich beschlossen, zahlreiche Gebiete fürs legale Übernachten im Wald freizugeben und damit auf ein gestiegenes Interesse an Outdooraktivitäten wie Wandern, Radfahren und auch Survival und Bushcrafting reagiert.

Wo du übernachten darfsz und was du beachten musst, wenn du legal in einem polnischen Wald übernachten willst, erfährst du in diesem Artikel. Außerdem gibt’s einen kleinen Erfahrungsbericht meinerseits, ich war nämlich selbst dort im letzten Sommer mit meinem Zelt unterwegs.

Legales Wildcamping in Polen: Ein Erfahrungsbericht

Gąsierzyno, Kopice, Czarnocin… jedes dieser Dörfer scheint ausgestorben, als ich langsam über die kleine Straße vor mich hinrolle. Kein Auto, kein Mensch weit und breit. Lediglich die mangels Wind leblos herunterhängende Wäsche in manch einem Garten lässt darauf schließen, das hier noch Leben herrscht. Der Blick auf die Thermometeranzeige verrät den möglichen Grund für die Stille: 38 Grad. Es ist einfach zu heiß, um draußen unterwegs zu sein. … zumindest, wenn man mit “draußen” nicht den kleinen Strand von Czarnocin meint. Dort nämlich herrscht reges Treiben, und plötzlich macht alles Sinn. Wo auch sonst sollte man sich an einem Hochsommertag wie diesem aufhalten?!

Ich suche mir ein Plätzchen unter den Bäumen für mein Badehandtuch und mich und verbringe den Nachmittag halb im Schatten dösend, halb im seichten Wasser liegend. Das Wasser ist Teil des Stettiner Haffs, Mündungsgebiet der Oder, welches im Westen von Usedom, im Osten von der polnischen Insel Wollin von der Ostsee abgegrenzt ist. Die deutsch-polnische Grenze verläuft mitten hindurch, und meine Reise führt mich einmal rundherum. Fuchs und Hase sagen sich in dieser Gegend vielerorts gute Nacht, und hier scheinbar ganz besonders. 

Vielleicht werden sie an diesem Tag auch mir gute Nacht sagen, denn ich bin mit dem Plan hierher gekommen, eine Nacht in einem jener Waldstücke zu verbringen, in denen man in Polen seit einiger Zeit legal campen darf. Als sich langsam die ersten Zeichen des herannahenden Abends am Himmel abzeichnen, tausche ich meine Badesachen daher gegen meine Campingsachen und mache mich auf in den Wald. Es gibt nur einen Wanderweg, daher fällt die Routenwahl nicht allzu schwer.

Ein paar Menschen kommen mir in Badesachen entgegen, sie haben den Tag wohl an dem kleinen, versteckteren Strand verbracht, auf den ich etwas später stoße. Ein Hinweisschild verrät mir, dass Campen am Strand verboten ist – das wär’s gewesen! – aber das macht schon Sinn, denn solche schilfbewachsenen Uferbereiche sind oft besonders sensibel.  Trotzdem will ich die Abendstimmung am Wasser genießen und baue meinen Campingkocher fürs Abendessen auf. Mein Übernachtungsplätzchen kann ich mir später immer noch suchen.

Nach meinem Abendmahl schlendere ich etwas weiter durch den Wald. “Erlaubt heißt ganz offensichtlich nicht das gleiche wie möglich”, denke ich mir beim Blick auf den immer dichter werdenden Wald. Ich biege auf einen Forstweg ab und langsam wird der Wald wieder lichter. Bald ist eine Fläche gefunden, die frei und eben genug ist, um mein Zelt darauf aufzubauen. Der Forstweg ist nicht weit entfernt, aber ich gehe wirklich nicht davon aus, dass hier noch irgendjemand spätabends durch den Wald schleicht. Und überhaupt wäre das ja eigentlich auch egal, denn ich darf hier schließlich übernachten.

Sicherheitshalber checke ich nochmal in der App, ob ich mich innerhalb des erlaubten Bereichs befinde – wenn schon, denn schon. Dann baue ich rasch mein Zelt auf, während die Moskitos mich begrüßen und die Sonne sich endgültig verabschiedet. Durchs Netz meines Innenzeltes hindurch sehe ich dabei zu, wie der Vollmond zwischen den Bäumen aufgeht, während die Fledermäuse im letzten Licht des Tages ihre Kreise ziehen. Das mag ich vielleicht mehr als alles andere an meinem MSR Hubba NX: dass man das Innenzelt separat aufbauen kann und dass es sich dann anfühlt wie draußen zu liegen, nur dass man eben eine Schutzbarriere zwischen sich und den Moskitos hat, die sich hier im sommerlichen Wald inmitten wasserreichem Gebiet zahlreich tummeln. Und während ich noch Fledermäuse zähle, beginnt der Waldkauz, die Gute-Nacht-Geschichte zu erzählen, deren Ende ich nicht mehr mitbekomme …

Am nächsten Morgen trinke ich noch in Ruhe einen Kaffee, packe mein Zelt dann aber wieder zusammen, bevor vielleicht doch noch Leben in den Wald kommt. Der Rückweg zum Parkplatz ist schnell erledigt, ein oder zwei Kilometer, mehr sind nicht. Kein großes Abenteuer, keine sonderlich spektakuläre Nacht, und doch habe ich eine Nacht unter den Sternen verbracht, inmitten der Bäume und Fledermäuse. Und das ist manchmal alles, was man braucht.

Der relativ uncharmante Fichtenforst hätte im Prinzip überall sein können und machte die Nacht im Wald gewiss nicht zu etwas Speziellem. Aber das Gefühl, dort wirklich willkommen und nicht nur maximal geduldet zu sein, hatte doch einen ziemlich großen Unterschied gemacht.  

Ist Wildcamping in Polen erlaubt?

Generell ist Wildcamping in Polen verboten, was sowohl für Camper und Wohnmobile, aber auch fürs Übernachten im Zelt gilt. Sicherlich findet man oft trotzdem Möglichkeiten, in der Natur zu schlafen, ohne Menschen und Natur großartig zu stören. Und vor Ort einfach Grundeigentümer um Erlaubnis zu fragen ist auch immer eine gute Idee. Aber ein wenig Ungewissheit bleibt, und irgendwie auch dieses ungute Gefühl, etwas Verbotenes zu tun.

Nicht erst seit Corona steigt die Camping-Leidenschaft auch in Polen. Bei unseren Nachbarn gibt es eine sehr ausgeprägte Survival- und Bushcraft-Szene, also Menschen, die salopp gesagt gern mal im Wald schlafen und irgendwas aus Stöckchen bauen. ;-) Im Mai 2021 hat die polnische Forstbehörde beschlossen, rund 600.000 Hektar Waldfläche für diese und andere Menschen zum legalen Übernachten freizugeben. Meiner Meinung nach eine ziemlich kluge Vorgehensweise, denn so kann man Erholungssuchende gezielt lenken und aus sensiblen Naturzonen fernhalten.

In Deutschland ist diese Herangehensweise vielleicht utopisch, denn hierzulande ist viel mehr Waldfläche in privater Hand, während in Polen rund achtzig Prozent vom Staat verwaltet wird. Ich möchte die Hoffnung aber nicht aufgeben. Und bis es so weit ist, gibt es mittlerweile ja immerhin einige Alternativen, zum Beispiel in Form von Trekkingplätzen.

Wo darf man in Polen wildcampen?

Die legalen Camping-Gebiete sind auf insgesamt 425 Waldgebiete verteilt, die über ganz Polen verstreut sind. Alle entsprechenden Gebiete sind in dieser Übersichtskarte verzeichnet. Es handelt sich um die orangefarbenen, rot umrandeten Flächen, die erscheinen, wenn rechts in den Filteroptionen das Häkchen bei “Spend the night in the forest” aktiviert ist. Wenn man die Karte zum Beispiel neben dem Komoot-Routenplaner im Browser öffnet, kann man ganz gut erkennen, um welche Gebiete es sich handelt und so auch entsprechend Routen planen.

Wichtig: Die Waldgebiete sind vor Ort in der Regel nicht besonders gekennzeichnet. Es steht also kein Schild dort im Sinne  von “ab hier darf gecampt werden”. Man muss sich also wirklich an die Karte halten, und sollte hier auch möglichst genau die Grenzen beachten. In dem Waldgebiet, wo ich war, lag zum Beispiel der direkte Bereich am Wasser nicht innerhalb der Markierung, und dort stand auch ein Schild, dass dort Camping verboten ist. Um vor Ort zu checken, ob man innerhalb des Gebiets ist, kann man die App “mBDL” der polnischen Forstbehörde  (App Store | Google Play) herunterladen.

Genauso gibt es vor Ort keinerlei Infrastruktur für Camper, man darf das also nicht mit den Trekkingplätzen in Deutschland oder zum Beispiel auch in Dänemark verwechseln. Es gibt keine ausgewiesenen Zeltplätze, keine Toiletten und Mülleimer, und auch sonst nichts. Wildcamping eben!

Worauf muss man beim Wildcamping in Polen achten?

Alle Infos rund um das Camping-Angebot sind größtenteils auf Polnisch auffindbar (die Seite mit der Übersichtskarte ist aber immerhin auf Englisch, und mehr braucht man eigentlich auch gar nicht).

Extrem wichtig ist, dass man sich an die Regeln der polnischen Forstbehörde fürs Übernachten im Wald hält. Das gilt natürlich insbesondere auch für uns Besucher*innen aus dem Ausland. Das ganze ist sicherlich nach wie vor ein Testlauf, und es wäre doch ziemlich schade, wenn der irgendwann wieder beendet werden würde, weil sich zu viele Menschen zu rücksichtslos verhalten.

Insbesondere sollte man beim Wildcamping in Polen folgende Regeln beachten:

  • Man darf maximal 2 Nächte am Stück in einem Waldgebiet übernachten.
  • Es dürfen maximal 9 Personen in einem Waldgebiet übernachten. Bei größeren Gruppen muss man vorher per E-Mail eine Genehmigung beantragen.
  • Überprüfe vor Ort, dass du dich innerhalb des freigegebenen Gebiets befindest (siehe oben).
  • Achte darauf, Bäume, Sträucher und Unterholz nicht zu beschädigen.
  • Beachte unbedingt Verbortsschilder aller Art.
  • Zum Schutz der Vegetation wird eine Hängematte empfohlen, Zelte und Biwaks sind aber mit Rücksicht auf die Vegetation auch erlaubt.
  • Vor allem im Sommer sollte man überprüfen, ob Waldgebiete wegen Waldbrandgefahr gesperrt sind.
  • Lagerfeuer sind nur an ausgewiesenen Stellen erlaubt, Brennholz soll aber nicht gesammelt werden.
  • Die Verwendung von Gaskochern ist erlaubt, solange die Waldbrandgefahrenstufe weniger als 3 beträgt.
  • Man darf Hunde an der Leine mitnehmen.
  • Und last, aber definitiv not least gelten: Natürlich sollte man sich wie immer und überall an die Regeln von Leave No Trace halten und sich vorab damit vertraut machen. Dazu zählt insbesondere, sämtlichen Müll wieder mitzunehmen, den Toilettengang naturverträglich zu erledigen und alles so zu hinterlassen, wie man es vorgefunden hat (oder besser).


Warst du schon mal in Polen unterwegs und hast vielleicht Tipps für schöne Outdoortouren in dem Land? Ich freu mich auf deinen Kommentar.

1 Comment

  1. Danke für den informativen und inspirierenden Artikel. Vor allem gut zu wissen, dass es eine App gibt, wo man die erlaubten Gebiete sehen kann.

    Bei mir ruft dein Artikel eine schöne aber auch aufregende Erinnerung wach:
    Ich habe auf einer Radreise ganz im Nord-Osten Polens (Nahe Kaliningrad u. Litauen) einmal eine Nacht in einem dieser erlaubten Waldstücke verbracht. Hatte dort einige Stunden wirklich gut geschlafen bis ich dann gegen halb fünf morgens von einem kräftigen Knacken im Unterholz geweckt wurde, das eindeutig nach “großem Vierbeiner” klang. Ich saß sofort senkrecht im Zelt, Puls 180 und fragte mich, ob es dort Bären oder Wölfe gibt, da ertönte wenige Sekunden später das sehr selbstbewußte Röhren von (ich vermute) einem Hirsch oder ähnlichem. Mir war dann sofort klar, dass das jetzt nicht gefährlich ist, aber ich habe zur Sicherheit etwas in die Hände geklatscht, damit das Tier nicht unnötig nahe kommt. Im Nachhinein bereue ich nur, dass ich mich nicht aus dem Zelt getraut habe (es war Anfang September und morgens um halb fünf noch stockdunkel). Aber eine coole Erfahrung war es auf jeden Fall!

    Jetzt wo ich die App kenne, sollte ich vielleicht mal wieder dort hinfahren ;)

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