[Gastartikel] Gastautorin Caro ist 2018 den Te Araroa Trail in Neuseeland gelaufen. 3.000 Kilometer einmal längs über die Insel. 3.000 Kilometer voller Emotionen, Abenteuer, Herausforderungen und wundervoller Begegnungen. In diesem Artikel nimmt Caro Dich mit auf ihre Reise und zurück zu ihren schönsten und manchmal auf den ersten Blick auch weniger schönen, dafür aber umso denkwürdigeren und prägenderen Momenten ihres großen Neuseelandabenteuers.


Dieser Artikel ist Teil meiner Reihe „Outdoorfrauen-Spezial“, in der ich auch anderen Frauen, die abenteuerlich Reisen und das Draußensein lieben, die Möglichkeit geben möchte, von ihren Abenteuern und Erfahrungen zu erzählen. Wenn Du auch Lust hast, einen Gastartikel zuschreiben, schick mir einfach eine E-Mail


1. Der 90 Mile Beach 

Ich startete meine Wanderung im Norden Neuseelands, dort wo der Te Araroa-Trail über den berühmt-berüchtigten 90 Mile Beach führt. Und das bedeutet: vier Tage Wandern am Strand. Der 90 Mile Beach ist wunderschön, aber er hat es auch ganz schön in sich. Denn auf dem Trail-Abschnitt ist lange Zeit kein Ende in Sicht, man wandert über Tage hinweg zwischen Dünen, Sand und Meer. Und das kann ganz schön anstrengend sein.

An meinem ersten Tag traf ich am Startpunkt des Trails zwei andere Te Araroa-Wanderer, mit denen ich mich von Beginn an sehr gut verstanden habe. Und so liefen wir alle gemeinsam los. Am ersten Campground angekommen war es erst Mittag. Da wir alle noch nicht müde waren und es noch so früh am Tag war, beschlossen wir weiter bis zur zweiten Camping-Möglichkeit zu laufen. Insgesamt 40 Kilometer!

Nach circa zehn Stunden Wandern und gegen Ende ziemlich schmerzenden Füßen erreichten wir unser Tagesziel. Geschafft! Der Tag war zum Ende hin schon sehr anstrengend und klar wollten wir alle endlich unsere Zelte aufschlagen. Dennoch hat es hat mich unglaublich beeindruckt, wie sehr wir uns gegenseitig motivieren, unterstützen und anspornen konnten. Für dieses Erfahrung haben sich die schmerzhaften Füße auf jeden Fall gelohnt.

Nach meinem ersten Tag am 90 Mile Beach – Wolle und Tape waren ziemlich plattgedrückt.
Pause im Sand mit Müsliriegel – lecker!
Meer und Strand, soweit das Auge reicht.

2. Die anderen Te Araroa-Wanderer

Auf dem Te Araroa Trail bin ich häufig anderen Hikern begegnet. Mit einigen bin ich über mehrere Tage, manchmal sogar über Wochen hinweg zusammen gewandert. Dabei haben wir uns einen sehr kurzen Zeitraum sehr gut kennen gelernt. Niemand muss sich verstellen, man teilt unglaublich schöne Momente miteinander und meistert Schwierigkeiten gemeinsam. Und genau das schweißt ungemein zusammen.

Geht man nach einiger Zeit wieder getrennte Wege, was meistens früher oder später passiert, und sieht sich dann nochmal wieder, ist die Freude jedes mal riesig.

Debra und ich nach der Mittagspause – fertig zum Weiterwandern
Sachen trocknen, Lagebesprechung und na klar! Essen!
Gemeinsam Wandern über saftig grüne Hügel und Wiesen

3. Kanutour auf dem Whanganui River

Auf der Nordinsel gibt es die Möglichkeit, einen Teil des Trails mit dem Kanu zu fahren. Für mich war es eine schöne Abwechslung zum Wandern.

Auf dem Whanganui River bewegt man sich durch wunderschöne Canyons und Regenwälder entlang eines Nationalparks. Auf dem Fluss gibt es ein paar Stellen, die etwas stärkere, aber ungefährliche Stromschnellen haben. Dann hieß es paddeln und Gas geben.

Vor dem Durchqueren der Stromschnellen hatte ich schon etwas Respekt, das Durchfahren selbst macht aber super viel Spaß. Danach waren mein Kanupartner und ich jedes Mal im Adrenalinrausch und mussten einfach nur lachen. Den Whanganui River mit dem Kanu entlang zu fahren ist auf jeden Fall zu empfehlen und eines meiner Highlights entlang des Ta Araroa Trails.

Ausnahmsweise mal im Kanu unterwegs…
…und mittenrein in den Regenwald.

4. Weder vor noch zurück in den Tararua Ranges

Die Tararua Range ist ein ca. 100 Kilometer nördlich von Wellington gelegener Gebirgszug. Da ich wusste, dass sich das Wetter in den Tararuas sehr schnell ändern kann, wollte ich diesen Abschnitt des Trails zusammen mit Tim, einem anderen Te Araroa-Wanderer, laufen.

Für den Streckenabschnitt in den Tararua Ranges braucht man im Regelfall vier bis fünf Tage Zeit. Tim und ich sind eigentlich gut vorangekommen, doch am dritten Tag mussten wir wegen starker Windböen, Regen und sehr schlechter Sicht auf dem wohl schwierigsten Teil umkehren. Wir befanden uns auf einem ungeschützten Grat. Es war so windig und regnerisch, dass wir uns kaum auf den Beinen halten konnten. Deshalb liefen wir zur Hütte zurück, von der wir am selben Morgen gestartet waren.

Nachdem wir die Nacht sicher und geschützt in der Hütte verbracht hatten, wollten wir am nächsten Morgen einen zweiten Versuch starten. Am folgenden Tag war das Wetter aber leider noch schlechter als zuvor. Wir wussten beide, dass wir eigentlich überhaupt nicht aufbrechen brauchten, denn es war selbst unten an der Hütte so windig, dass wir sogar zum Toilettengang regelrecht überwinden mussten. Das Problem an der ganzen Sache war, dass, nachdem wir nun wetterbedingt bereits zwei Tage länger als geplant unterwegs waren, das Essen langsam knapp werden würde. Wir hatten zu dem Zeitpunkt noch Verpflegung für einen vollen Tag, wussten aber, dass wir noch zwei Tage Wandern vor uns hatten. Deshalb hieß es dann erstmal absolut gar nichts zu essen und die Lebensmittel fürs Wandern zu sparen.

Am dritten Tag wollten wie es aber nun endlich bis zur nächsten Hütte schaffen. Somit sind wir ganz in der Früh losgegangen, am Grat angekommen… und hatten das gleiche Problem wie zuvor. Der Wind und der Regen waren zu stark! Es war einfach zu riskant und gefährlich über den Grat rüber zu wandern. Mist! Und unsere Essensvorräte waren nun so gut wie leer.

Zum Glück kamen gegen Mittag kamen wie aus dem Nichts zwei andere TA-Hiker aus entgegengesetzter Richtung an unserer Hütte vorbei. Wir konnten es nicht fassen! Sie erzählten uns, dass sie in einer ähnlichen Situation wie wir waren, sich das Wetter auf dem Grat aber nun deutlich gebessert hatte und sie diesen somit überqueren konnten. Dass war unsere Gelegenheit, ebenfalls aus der verzwickten Situation herauszukommen. Also sind wir wieder los, und diesmal mit Erfolg! Am höchsten Punkt angekommen haben wir uns umarmt, jeder hat einmal laut geschrien und dann haben wir uns erst mal einen Müsliriegel geteilt. Letztendlich sind wir super glücklich und sicher an der nächsten Hütte angekommen. Was für ein Abenteuer.

Aufziehender Nebel in den Tararua Ranges…
… das schlechte Wetter kam schneller als gedacht…
… und letztendlich saß ich zwei Tage in der Hütte fest.

5. Die Gastfreundschaft der Kiwis

Nun kommen wir nach dieser unangenehmen Erfahrung zu einer weniger extremen und sehr erfreulichen Tatsache, die ich in Neuseeland viele Male erleben durfte. Es geht um die Kiwis – in dem Fall sind natürlich die Neuseeländer und nicht die Vögel gemeint.

Ich durfte während meiner Wanderung eine unglaubliche Hilfsbereitschaft der Einheimischen erfahren, egal ob beim Trampen, auf dem Trail oder einfach so. Viele Male wurde mir angeboten, mein Zelt im Garten bei Locals aufzuschlagen und dort zu übernachten. Die Menschen sind neugierig, man kommt ins Gespräch und oft ergibt sich dann dadurch sogar eine Übernachtungsmöglichkeit. Oft konnte ich es gar nicht fassen, wie hilfsbereit und ehrlich Kiwis sind, das ist einfach so schön. Davon können wir uns hier in Deutschland schon noch ein bisschen etwas abschauen.

Oft kam es auch vor, dass mir Bier, Wein, Kaffee oder ein Snack einfach so an meine Camping-Location gebracht wurde. Einfach als nette Geste, aus reiner Freundlichkeit und ohne irgendwelche Hintergedanken. Kiwis sind hilfsbereite, offene und herzensgute Menschen. In Neuseeland wird gegenseitige Unterstützung großgeschrieben, das ist einfach wunderschön.

Local Paul und Hündin Chica – wir durften im Garten campen, frischen Kaffee und Streicheleinheiten für Hündin Chica gabs on top!

6. Die Schönheit Neuseelands – Nelson Lakes

Im Norden der Südinsel befindet man sich auf dem TA im Nelson Lakes National Park. Ich erinnere mich insbesondere an einen bestimmten Tag auf meiner Wanderung auf diesem Abschnitt des Trails.  Zuerst hatte ich einen steilen Anstieg bis auf den Gipfel zu bewältigen, den sogenannten Waiau Pass. Am höchsten Punkt angekommen wurde ich mit einem atemberaubenden Blick auf den Lake Constance belohnt – ein mitten in den Bergen gelegener türkisblauer See, der durch seine Klarheit wahnsinnig kräftige Farben widerspiegelt.

Vorbei am See ging es weiter bis zur Blue Lake Hut. Kurz vor Erreichen der Hütte gab es dann noch einen spektakulären Ausblick auf den Blue Lake, der auch als world´s purest lake bezeichnet wird. Und genau so hat sich der See gezeigt – glasklar und schimmernd schön in seiner strahlend blauen Farbe. Einfach genial!

Zuerst Lake Constance…einfach nur schön…
… und dann kurz vorm Erreichen der Hütte die Sicht auf den Blue Lake. Die Farben waren einmalig!

7. Der Ahuriri River

Der Ahuriri River ist laut offiziellen TA-Trailnotes einer der breitesten und reißendsten Flüsse, die man auf dem Trail zu durchqueren hat. Der Tag bis hin zum Fluss war sehr schön. Das Wetter war super, ich war an diesem Tag mit drei anderen TA-Hikern unterwegs.

Über die Flussdurchquerung haben wir und zu diesem Zeitpunkt keine großen Gedanken gemacht. Als wir dann aber am Fluss ankamen und realisierten, dass der Ahuriri River ziemlich breit, stellenweise sehr tief und die Strömung sehr stark war, mussten wir uns gut überlegen, wo und wie wir den Fluss überqueren wollten. Der Plan war, zuerst zu einem Flussbett zu gelangen, um von dort aus dem schwierigeren und breiteren Teil des Flusses zu überqueren. Aneinandergereiht und Arm in Arm eingehakt erreichten wir sicher das mittlere Flussbett. Nun ging es an die zweite, schwierigere Überquerung. In kleinen Schritten und mit hoher Konzentration bewegten wir uns langsam durch den Fluss. Es gab einen Punkt, an dem wir alle der Strömung nur noch schwer standhalten konnten. In diesem Moment kam kurz Unruhe auf und wir überlegten umzukehren. Doch letztendlich haben wir es sicher bis ans andere Ufer geschafft.

Nach der Überquerung waren wir alle vom Adrenalin überdreht, haben nur noch gelacht und waren super glücklich, es geschafft zu haben und waren dankbar für diese Erfahrung.

So sieht er aus, der Ahuriri River…
…und so sehen Glück und Erleichterung aus!

8. Der Breast Hill Track bei Wanaka

Kurz nach Wanaka, einer kleinen Stadt in der Region Otago auf der Südinsel, verläuft der Te Araroa auf dem Breast Hill Track. Nach einem Anstieg über Felsen und schroffes Gestein legte ich eine Pause an einer Hütte ein. Danach bin ich den Trail weiter Richtung Aussichtspunkt gefolgt. Und dann war er auch schon da, der glasklare, blaue Lake Hawea! Eine geniale Aussicht mit Blick über den tiefblauen See und schneebedeckten Gipfeln der südlichen neuseeländischen Alpen im Hintergrund. Wirklich absolut sehenswert.

Am gleichen Abend habe ich mir meinen Schlafplatz mit einer fetten Ratte geteilt, die sich in regelmäßigen Abständen auf die für die Lebensmittel vorgesehene Plastikbox fallen ließ. Ich bin immer noch fest davon überzeugt, dass sie versucht hat, die Box aufzubrechen.

Aussicht vom Breast Hill Track auf den Lake Hawea

9. Die Einfachheit des Trailalltags

Eine der angenehmsten und schönsten Dingen auf dem Trail ist die einfache Struktur des Fernwander-Alltags. Dieser besteht aus drei Grundprinzipien: Essen, Laufen und Schlafen. Es ist so schön, sich für diese simplen, aber doch sehr wichtigen Dinge bewusst Zeit nehmen zu können. Warum? Es sind essenzielle Dinge, die den Menschen “überleben” lassen (Nahrung, Bewegung, Schlaf). Es ist super schön, sich darauf konzentrieren zu können, ohne dabei vom Handy, Laptop oder einem Anruf abgelenkt zu werden.

Außerdem lerne ich jedes Mal wieder von neuem, den Luxus, den ich in Deutschland habe, wieder zu schätzen. Ich fand es nach einer längeren Etappe auf dem TA immer faszinierend, kein Wasser filtern zu müssen und einfach in den Supermarkt gehen zu können um mir frische Lebensmittel kaufen zu können.

So simpel und so befreiend! Alles was ich brauche trage ich mit mir.

10. Das Gefühl nach dem Trail

Wow! Wie unglaublich gut fühlt es sich an, 3.000 Kilometer durch ein komplettes Land gelaufen zu sein. Wie viele Begegnungen, Erlebnisse, Abenteuer und schöne Momente ich erleben und teilen durfte! Es ist schwierig, den Zustand zu beschreiben, wenn man es geschafft hat. Zuerst ist man natürlich stolz, es bis zum Ende durchgezogen und damit geschafft zu haben. Auf dem Weg dorthin ist man oft mit Situationen konfrontiert, die man einfach nicht planen kann. Und genau in solchen Momenten lernt man sich selbst jedes Mal ein Stückchen besser kennen – eine Erfahrung, die einem für den Rest des Lebens erhalten bleibt und mich letztendlich auch in meinem Alltag abseits des Wanderns sehr viel gelassener und ausgeglichener gemacht hat.


Über die Gastautorin

Caro ist seit zehn Jahren regelmäßig in Bergen unterwegs. Im Sommer 2014 machte sie ihre erste Solo-Fernwanderung auf dem GR11 durch die Pyrenäen. Danach war sie in den Weiten Kanadas unterwegs und ist 2018 den Te Araroa Trail in Neuseeland gelaufen. Nach Beendigung des Trails hat sie sich entschlossen, einen Ratgeber über den Te Araroa Trail (Werbelink) zu schreiben.

Mittlerweile ist Caro mit dem Thema Fernwandern in die Selbstständigkeit gestartet. Sie hält Workshops und bietet Coachings für die Vorbereitung auf Fernwanderungen an. Zudem ist sie Industriedesignerin und testet Produkte für den Outdoorbereich. Außerdem hält sie Vorträge über ihre persönlichen Trail-Erlebnisse. Auf ihrer Webseite erfährst du alles rund ums Fernwandern und ihre Trails. Außerdem kannst du Caro auf Instagram und Facebook auf ihren zukünftigen Fernwander-Abenteuern folgen.


Bist du den Te Araroa auch schon gewandert? Was waren deine Highlights? Wir freuen uns auf Deinen Kommentar!

1 Comment

  1. stefan frick Reply

    Hallo Caro, Glückwunsch zu Deiner Wanderung! So was will ich auch schon seit langem mal machen, bin aber ein Angsthase was Bären, Wölfe, Pumas, Schlangen etc.. anbelangt. Deshalb scheiden Jon Muir Trail, Appalachian Trail und neuerdings auch der E5 über die Alpen aus. Jetzt hört man ja häufig, dass es in NZ nur “liebe” Tiere gebe. Kannst Du dazu was sagen bzw. hast du mal schlechte erfahrungen mit der dortigen Fauna gemacht? Danke vorab und Grüsse, Stefan

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