Cheryl Strayed: "Wild"1100 Meilen entlang des Pacific Crest Trail. Von der Mojave-Wüste über Kalifornien und Oregon bis nach Washington. Das klingt anstrengend, verrückt und gefährlich. Und nach etwas, das trekkingerfahrenen, trainierten und bestens vorbereiteten Entdeckern vorbehalten ist. Cheryl Strayed war nichts von alledem. Und tat es doch.

Cheryl war 26, als ihre Mutter an Krebs starb. Daraufhin lebte sich der Rest ihrer Familie immer mehr auseinander und auch ihre junge Ehe ging schnell in die Brüche. Cheryl dachte, sie hätte alles verloren. Vier Jahre später packte sie ihren Rucksack, der später den Namen “Monster” erhalten sollte, und flog nach Kalifornien. Mit dem festen Vorsatz, auf dem PCT durchzuhalten. Zu sich selbst zu finden. Und ihrem Leben neuen Sinn zu geben.

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Meine Meinung:

Zu allererst: “Wild” ist KEIN Wanderführer. In dem Buch geht es primär um Cheryl Strayed persönlich. Um ihre Vergangenheit und Entwicklung. Um Ihre Gefühle und die Menschen, die sie trifft. Um ihre Vergangenheit und das, was die lange Reise mit ihr macht. Zudem läuft das meiste von dem, was Cheryl  macht, unter der Kategorie ‘nicht nachmachen’. Ihr Rucksack ist viel zu schwer, ihre Schuhe zu klein, sie hat keinerlei finanzielle Reserven und null Training. Ihr Wissen bezieht sie ausschließlich von den REI-Verkäufern und einem Buch, “The Pacific Crest Trail, Volume I: California”.

Und dennoch hat “Wild” gerade auch für angehende (Weit-)Wanderer, egal ob auf dem PCT oder anderswo, durchaus wertvolles und interessantes zu bieten. Weil Cheryl Strayed ganz genau beschreibt, wie sehr ihre Füße wehtun – und wie sie es doch schafft, weiterzugehen. Weil man ihre Angst vor wilden Tieren oder zwielichtigen Gestalten regelrecht spüren kann – und dann ihre Art und Weise kennenlernt, damit umzugehen. Oder weil man erkennt, was Burger und Limo in der nächsten Stadt, die leider noch ein paar Tage entfernt ist, auf so einer Reise bedeuten können.
Und auch wenn der Fokus auf Cheryl selbst liegt, erhält man auch vom PCT tolle Eindrücke. Von der Landschaft, von den Schwierigkeiten und Freuden, die einen erwarten können und von dem besonderen Miteinander der Weitwanderer untereinander. Von Schwarzbären und Klapperschlangen, Hitze und Einsamkeit, Abenteuern und Strapazen…

Ich habe das Buch regelrecht verschlungen. “Wild” ist abwechslungsreich, berührend, fesselnd, witzig und traurig zugleich. Cheryl Strayeds Schreibstil ist dabei vor allem eins: authentisch und überaus ehrlich. Und genau das macht für mich die Faszination des Buches aus.

 

Das Buch wird momentan übrigens auch schon verfilmt – mit Reese Witherspoon in der Hauptrolle. Wer echtes Bildmaterial von Cheryl Strayeds “Großem Trip” (so lautet übrigens der deutsche Buchtitel) sehen will – und das wollte ich nach der Lektüre unbedingt – der möge sich dieses Video oder Cheryls Facebookseite ansehen. Aber natürlich erst, nachdem Ihr das Buch gelesen habt! …weil das ja klar ist.

UPDATE: Der Film ist jetzt veröffentlicht – und ich hab ihn auch gleich am ersten Tag gesehen. Wie zu erwarten fehlen natürlich viele Aspekte, die das Buch für mich ausgemacht haben. Aber das ist ja auch irgendwie logisch. Reese Witherspoon jedenfalls passt toll in die Rolle und der Film wird möglichst nah am Buch gehalten. Fazit: Auf jeden Fall angucken – idealerweise aber natürlich erst das Buch lesen! :)

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Weil ich nach “Wild” noch mehr erfahren wollte über diesen PCT, habe ich mir gleich den Trailführer “The Pacific Crest Trail – from Mexico to Canada on foot” (Cicerone) bestellt. Und wer weiß – vielleicht stehe ich ja auch irgendwann mit einem, natürlich perfekt gepackten, Rucksack in White’s Motel in der Mojawewüste und denke mir: “What is hiking but walking, after all? I CAN WALK!”

Habt ihr “Wild” schon gelesen? Wie fandet ihr das Buch? Und kennt ihr noch ähnliche Bücher? Ich bin gespannt auf Eure Meinungen und Buchvorschläge.

 

DER PCT (PACIFIC CREST TRAIL) – DIE FAKTEN:

Länge: 4.240 km (das macht bei 24 km pro Tag 176 Tage bzw. ca. 6 Monate zzgl. der unbedingt notwendigen “zero days”)

Verlauf: Einmal längs durch den Westen der USA von der mexikanischen bis zur kanadischen Grenze; Start ist in Campo, Kalifornien – Ziel in Manning Park, Kanada

Geschichte: Der erste dokumentierte Hiker war Martin Papendick im Jahr 1952. Seit 1968 hat der PCT den Status des National Scenic Trail. 

Frequentierung: geschätzte 500 sog. “Thru-Hiker” jährlich (Zahl von 2010), die Zahl der “Section-Hikers” ist um einiges höher (also die Zahl derjenigen, die kürzere Passagen auf dem Trail gehen)

Beschaffenheit: Der Trail ist größtenteils gut gepflegt und an sich leicht zu gehen (auch für Wanderreiter geeignet).

Wetter und Klima: Der Trail hält sich größtenteils östlich der südkalifornischen Gebirgszüge, um die sehr trockenen Gegenden östlich davon zu umgehen. Ausnahme: der westliche Winkel der Mojavewüste. Ein Thru-Hiker kann sich dennoch auf heiße und trockene Bedingungen in Südkalifornien und der High Sierra einstellen.
Den Norden Kaliforniens durchquert man zum Höhepunkt der Unwetter-Saison, welche dort jedoch mäßiger ausfällt als weiter südlich. Oregon ist im August generell warm und trocken, aber auch hier können Unwetter und Stürme aufziehen. In Washington gibt’s im September sowohl längere trockene und warme Perioden als auch Regenperioden. Regen und Schnee in den Bergen ist natürlich immer möglich. Alles in allem ist das Wetter sicher nicht die größte Herausforderung auf dem Trail.

Unterkunft und Verpflegung: Mein Buch warnt gleich auf der ersten Seite der Einleitung die Europäer, dass es in den USA eine komplett andere Auffassung solcher Trails gibt. Der Trail berührt nur hier und da die Zivilisation. Wildcampen und die Mitnahme teils großer Mengen an Nahrung und Wasser ist essentieller Bestandteil. Schutzhütten, wie sie zum Beispiel auf dem kleinen Bruder des PCT, dem Appalachian Trail regelmäßig vorkommen, sind auf dem PCT nicht zu finden. Es gibt zur Zeit 101 Resupply-Points auf dem PCT, also Geschäfte oder Unterkünfte, an die man für eine geringe Gebühr Pakete mit Nahrung, dem nächsten Paar Trailschuhe, ein neues Buch u.ä. senden und dann abholen kann.

Die Frage aller Fragen: Kann der durchschnittliche Wandersmensch den PCT bewältigen? Die Antwort ist ja. Denn das Training kommt sowieso beim Laufen. Die größte Hürde ist es, überhaupt die Entscheidung zu treffen. Dann bestimmt abgesehen von äußeren Einflüssen und dem Willen allein die Qualität der Planung über Sieg oder Niederlage. Hierzu gibt es detaillierte Trailbooks, die jede Pfütze dokumentieren.

Links zum PCT:

  • unter trailjournals.com gibt es viele PCT-Tagebücher und Fotos (übrigens auch zu anderen Weitwanderwegen in den USA) – Durchklicken macht Spaß, auch wenn die Seite nicht sehr schön ist.
  • die Thru-Hiker Anna und Chris haben jeden Tag ihren Zeltplatz fotografiert und ein Video dazu gemacht (beim zusehen wird einem etwas schwindlig, aber sonst find ich’s super, wie die Bilder im Takt zu Ben Howards ‘Old Pine’ eingeblendet werden)
  • Unter planyourhike.com gibt es viele weitere Infos und Links

 

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10 Comments

  1. Mir hat dieses Buch ebenfalls sehr gut gefallen. Ich habe Cheryl für ihre Naivität und selbstzerstörerische Tendenzen verflucht. Für ihren Mut und ihre Beobachtungsgabe habe ich sie bewundert.
    Die Qualitäten dieses Buches kommen in deiner Besprechung sehr gut rüber. Für jeden, der es gern selbst probieren möchte, sind deine Tipps über die Randbedingungen dieses Trails Gold wert – klasse!
    Ansonsten hat mich das Buch ein bisschen an “Picknick mit Bären” von Bill Bryson erinnert. Kürzlich habe ich einen großartigen Roman über den Appalachian Trail gelesen: “Kings of Nowhere” von T.J. Forrester. Beide sind ebenfalls zu empfehlen.

    • Fräulein Draußen Reply

      Danke für Dein Lob! Zumal Du offensichtlich Profi bist. Bücher zu besprechen, die einem am Herzen liegen, ist ja irgendwie schwieriger als sie einfach nur mies zu machen..:)

      Picknick mit Bären klingt vielversprechend, das werde ich auf meine Liste setzen! Kings of Nowhere habe ich mir kürzlich schon bestellt, aber noch nicht gelesen. Vielen Dank für die Tipps!

  2. Pingback: Packliste Schottland (Wandern, Campen, Roadtrip) | Fraeulein Draussen

  3. Ich habe mal eine total verrückte Videodoku von 2 Leuten gesehen, die den Trek gegangen sind (einer hat doch tatsächlich 100 Kilometer vor Ende aufgegeben!). Süchtig war ich da, hab mich gerade auf meine erste Fernwanderung vorbereitet (170 km, haha).
    Leider haben meine Füße Probleme, habe ich später festgestellt, ich würde den Trek nicht schaffen, denn man kann ihn ja auch nicht ewig ausweiten sondern hat, soweit ich da informiert bin, wettermäßig eigentlich nur optimale 4 Monate… (oder ist das ne falsche Info?). Und mehr als 30 km pro Tag halten meine Füße nur wenige Tage aus.
    Insofern: Ich bin wahnsinnig neugierig geworden auf das Buch, aber ob ich mir die Wehmut antue? ;) Mal schauen. :)
    LG /inka

    • Auch Tom hat so ein Buch geschrieben, inklusive Love-Story: http://tomsbiketrip.com/books ;) Ich fand auch den Film sehenswert und habe den sogar noch irgendwo ‘rumliegen.

      Alastair und Tom kennen sich sogar btw. Vielleicht ist die “Adventure Cycle Szene” auch einfach nur klein.

  4. Mhm, wie Du ja weißt bin ich nun hin- und hergerissen. Erst Buch zu Ende lesen oder den neuen Film schauen =)

    • Fräulein Draußen Reply

      Dir wird das Buch sicher auch gefallen, wenn Du den Film schon kennst :) Man nimmt sich natürlich etwas die Spannung, aber es gibt so viele Aspekte, die im Film nicht vorkommen, da gibt es noch genug zu entdecken..

  5. Huhu

    dieses Buch hat mir auch sehr gut gefallen. Fand es sehr flüssig geschrieben und nicht langweilig. Mag aber generell Bücher über outdoor und wanderlust . Lass dir lg da

    Tinka

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