Zuletzt aktualisiert am 1. November 2015
‚It was cold, wet and cheerless, and the wind was blowing a hurricane.‘ (Queen Victoria über ihren Besuch auf dem Gipfel des Lochnagar)
Queen Victoria (1819 – 1901) war allem Anschein nach auch ein Draußen-Fräulein, denn warum sonst hätte sie bei Kälte, Nässe und Wind den Lochnagar besteigen sollen? Und warum sonst hätte sie sich so ein schönes kleines Häuschen in einem kleinen Wäldchen direkt am Loch Muick bauen sollen – irgendwo im Nirgendwo der schottischen Highlands? Dass sie diese Liebe zum Draußen-Sein jedoch auch an ihre Ururenkelin Queen Elizabeth II. weitergegeben hatte, damit war nicht zu rechnen. Zu groß die Gefahr, dass der Wind den monströsen Hut wegbläst. Oder dass die kleinen Hündchen dreckig werden. Doch genau diese Frau begegnete mir. Dort, wo man es am allerwenigsten erwarten würde.
An meinem letzten Tag in Schottland wollte ich eigentlich noch einen Munro besteigen, und zwar den Lochnagar in den Cairngorms. Irgendwie hat sich dann aber alles ein bisschen hingezogen (man kennt das ja, letzter Tag Urlaub und so) und ich hab mich dann letztendlich doch für die Wanderung rund um Loch Muick entschieden, einen schöner als schönen See am Fuße des Lochnagar. Schon im Wanderführer hatte ich gelesen, dass man auf dem Rückweg der Wanderung auch an dem bescheidenen Häuschen vorbeikommt, welches 1868 für Queen Victoria gebaut wurde.
Erstmal führte mich aber ein erst breiterer, und später immer schmaler und steiniger werdender Weg am anderen Ufer des Sees entlang, vorbei an kleinen Wasserfällen und immer mit Blick auf den See und die Berge, die dahinter begannen. .Als ich das hintere Ende des Sees erreicht hatte, setzte ich mich auf eine kleine Holzbrücke und öffnete das Dosenbier, mit welchem ich feierlich das Ende meines ersten Alleine-Urlaubs und den Anfang meiner Schottland-Liebe begießen wollte.
Und während ich dort so sentimental und in seltsam feierlicher Stimmung auf meiner Holzbrücke saß und auf „mein“ Schottland blickte, tauchte in etwa 100m Entfernung eine seltsame Gesellschaft auf, welche sich langsam auf einem kleinen Pfad durch die wilde Landschaft bewegte. Eine alte Frau mit Kopftuch, drei Hunde, die ihr nicht von der Seite wichen und im Schlepptau vier Männer in dunkler Kleidung. Und ich weiß noch ganz genau, wie ich mir dachte:
„Wie zum Henker kommt diese alte Frau hier hinten an den See?!“
Das war einer dieser Augenblicke, in denen man wie im Bilderbuch absichtlich kurz weg und dann wieder hinschaut, weil man seinen Augen nicht traut und sich denkt, dass alles nur eine kurze Einbildung war.“ (Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass man auf der anderen Seite des Sees mit dem Auto zu Queen Victorias Haus fahren konnte. Ich wusste nur, dass ich bis zu diesem Punkt 2,5 Stunden zu Fuß über einen kleinen, steinigen Pfad gelaufen war und konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass diese alte Frau ähnliches vollbracht haben mochte. Hatten die seltsamen Männer sie getragen? Zogen die Hunde einen unsichtbaren Schlitten hinter sich her? Ob ich es jemals erfahren würde?)
Die alte Frau ging auf einem Weg etwas weiter vom See entfernt, mein Pfad führte direkt am Wasser entlang, und so ging ich langsam in einiger Entfernung an ihr vorbei – voller Verwunderung über den seltsamen Anblick, der sich mir bot. Kurz danach kam ich an Queen Victorias Haus vorbei – ein schönes altes Steinhäuschen, bei dessen Anblick ich mir sehr gut vorstellen konnte, ein paar Tage hier zu residieren.
Vor dem Haus standen drei dunkelgrüne Range Rover, und der erste hatte eine kleine silberne Hundefigur vorne drauf. Ich wollte sie schon fotografieren, da schoss mir durch den Kopf, dass es ja irgendwie albern ist, die Autos anderer Leute zu fotografieren und dass dass Hündchen ja sooo besonders nun auch nicht war. Also ging ich weiter. Im dritten Landrover saßen zwei weitere dunkel gekleidete Männer, die mich verschmitzt angrinsten und mir zum Gruße zunickten. Ich nickte zurück, immer noch schwerst verwundert über die seltsamen Erscheinungen (immerhin wusste ich jetzt, wie die alte Frau hierher gekommen war! Ich hatte also doch keine Halluzinationen nach 2 Wochen Highlands. Puuuh,)
Ich ging also weiter und wunderte mich und wunderte mich weiter und dachte mir schon irgendwie, dass es vielleicht irgendwelche „Von-und-zu’s“ gewesen sein mussten, da hörte ich hinter mir Autos auf dem Schotterweg. Pflichtbewusst wie ich nunmal bin, brachte ich mich am Straßenrand in Sicherheit und ließ die Autos durch. Und freundlich wie ich nun mal bin, (trotz latenter Genervheit: Was müssen die denn jetzt hier rumfahren mit ihren fetten Schlitten? Ich will hier in Ruhe wandern, verdammt! SCHONMAL WAS VON NATUR UND RUHE GEHÖRT?!?!) blickte ich mit gequält hochgezogenen Mundwinkeln Richtung Auto, als die Fahrerin des ersten Autos ihren weißen Handschuh zum Gruß hob und mir ein sehr wohl bekanntes Gesicht, eingerahmt von Kopftuch und weißen Locken, dankend und mit Andeutung eines Lächelns zunickte.
MOOOOOOOOOOOOMENT. (Die Ansammlung von dunkel gekleideten Männern in den hinteren beiden Range Rovernickte mir nun noch grenzdebiler als vorher zu, wohlwissend was ich mir gerade denken musste.) Das war doch nicht etwa Eure Majestät, Königin von England, Herrin aller Corgis und einfarbiger Kostüme? Innerlich kopfschüttelnd ging ich weiter. Im aufgewirbelten Staub der Geländewagen, wie der Pöbel in der Gosse. Und wer jetzt denkt, die Situation sei schon absurd genug, dem sei folgendes mitgeteilt: Denn, liebe Freunde, als die Landrover langsam am Horizont verschwunden, riss der graue Himmel auf. Und dieser dämliche Himmel war den ganzen Tag grau gewesen!!! Und die Sonne kam heraus aus ihm. Und ich hab noch nie so ein goldenes Licht gesehen. Und es ließ die schottische Herbstlandschaft im schönsten Glanz erstrahlen. UND DANN, LIEBE FREUNDE, GALOPPIERTE DER GRÖßTE HIRSCH ALLER ZEITEN MIT DEM ALLERMÄCHTIGSTEN GEWEIH VOR MIR ÜBER DEN WEG UND VERSCHWAND IN DEN GOLDENEN SCHOTTISCHEN HÜGELN. Und ich fühlte mich ganz erlaucht und wie von einer überirdischen Macht ergriffen und… Und alles was ich habe ist dieses lausige, unscharfe Foto von drei Range Rover von hinten auf einem Feldweg. Na vielen Dank auch.
P.S. Ich schwöre beim nackten Hintern, den Prinz Harry in Las Vegas in die Kamera hielt, dass alle Angaben und Beschreibungen in diesem Artikel absolut der Wahrheit entsprechen. Auch das mit dem goldenen Licht und dem Hirsch. ECHT JETZT!!!!!!
P.P.S. Sie war es wirklich. Der kleine Hund auf der Motorhaube hat sie verraten.
Hast Du auch schon mal jemanden auf Reisen getroffen, bei dem Du aus den Socken gekippt bist? Dann musst Du mir unbedingt in den Kommentaren davon berichten!!
In meiner Beitragsreihe “Das Fräulein in den Highlands” berichte ich über meine zweiwöchige Rundreise durch den hohen Norden Schottlands vom September/Oktober 2013. Unterwegs war ich mit James-Charles, dem Mietauto und Hermann-Herbert, dem Zelt. Hier findest Du mehr Schottland-Abenteuer von mir. Viel Spaß beim Lesen.
22 Comments
Herrlich! Ich habe herzlich gelacht. Du hast mir den Abend versüßt mit Deinem lustig Schreibstil ;-)
Lieeb Grüße
Eva
Na dann hat sich’s ja schon gelohnt :)
Danke und viele Grüße!
Ich sterbe vor Lachen!
Richtig gut geschrieben und ein bisschen fühl ich mich, als wär ich dabei gewesen
Aber die Magie im Norden ist einfach eine ganz besondere. Die kann man nicht erklären
Ein toller Abschied! Diese Königsfamilie muss überall sein! Ich war vielleicht schon 10mal auf der Insel und habe jedes zweite mal ein Mitglied der Königsfamilie gesehen. Die Queen fehlt mir allerdings noch. Auch am Ladies View bei Killarney war sie nicht zu sehen.
Was für eine geile Geschichte mit Queen, Hirsch und allem drum und dran. Ich glaub ja, dass Angela Merkel vor kurzem in Auckland an mir vorbeigefahren ist. Dank der dunklen Scheiben konnt ich aber nichts sehen. Im Vergleich zu deiner amüsant geschriebenen Geschichte zählt es nicht.
:) Viel Spaß noch in Neuseeland!!
Das ist ja echt ein bisschen abgedreht. Obwohl ja bekannt ist, dass sich die Queen ganz gerne mal irgendwo im Nirgendwo rumtreibt… was für ein Zufall. Und was für ein schönes Ende deines Urlaubs!
Liebe Grüße
Alex
Rundum perfektes Timing :) lg
Geniale Begegnung! Ist schon sehr lustig wenn man nach und nach erst realisiert was da gerade passiert ist und sich dann ein bisschen ärgert, dass man es nicht vorher schon alles so verstanden hat.
Vielleicht wäre ja ein Selfie mit der Queen drin gewesen…wer weiß! ;-)
Danke fürs teilhaben lassen und dieser außergewöhnlichen Begegnung.
Das wär’s gewesen! Einfach nicht von der Straße gehen und erstmal schön mit dem Smartphone draufhalten. Aber dann hätte sie vermutlich nicht mehr so nett gelächelt ;-)
Der Queen bin ich auch einmal „begegnet“, jedoch war das eher unspektakulär, da sie gerade aus dem Buckingham Palast chauffiert wurde. Eine Ansammlung von Royals und Politikern zu einer Feier in Münster. Das war etwas skurril, denn die Damen in ihren farbigen Kostümen und den riesigen Hüten wirken so fremdartig in der alltäglichen Menschenmasse. Noch skurriler: Roberto Blanco an der Bar in der Gourmetabteilung von Harrods. Ich finde Roberto Blanco nicht etwa als Entertainer peinlich, aber der alternde Herr saß dort turtelnd mit einer blond gefärbten jungen Dame, die sich neben ihm extrem jung ausmachte. Ein gutes halbes Jahr später habe ich ihn noch einmal auf einem Event „getroffen“. Allerdings war er dort nicht turtelnd unterwegs :) Übrigens liebe ich Schottland sehr! Sonnige Grüße, Jutta
Haaaa, Roberto Blanco fehlt mir noch auf meiner Liste!! Den in den Highlands zu treffen wäre vermutlich fast noch seltsamer.. :D
Viele Grüße
Kathrin
HA! Wie gut ist das denn??? :D
Irgendwo im Nirgendwo… ich glaube, diese Dame hätte mich auf nen Kaffee eingeladen und ich hätte sie nicht erkannt… einfach, weil man’s nicht erwartet!!!
Sehr sehr geil! :D
Lieben Gruß,
Corinna
Diese Bilder zeigen mir, dass wir auf jeden Fall einmal aus Land gehen müssen in Schottland. Immerhin haben wir es dieses Silvester einmal auf Edinburgh geschafft.
Na das ist ja schon mal ein guter Anfang! Die großen Städte in Schottland fehlen mir bisher noch in meiner Sammlung. Die Natur der Highlands ist einfach zu schön. :)
oh wie macht das alles lust auf schottland! ich bin ja sehr verliebt in norwegen, da würde schottland bestimmt auch mein herz rauben! kommt auf die lange liste der orte die ich bald besuchen möchte.
tolle bilder! viele grüße, tine
Hi Tine,
davon bin ich sogar überzeugt! :) Gute Entscheidung!
Danke und viele Grüße
Kathrin
Pingback: Foto-Interview zum LEJoG mit Fräulein Draussen: 11 Fragen, 11 Antwortfotos - OutdoorMädchen
Ist zwar schon länger her, dass du nach Erlebnissen gefragt hast, aber durch dein Foto-Interview hab ich erst von deinem Erlebnis mit der Queen erfahren. Als wir vor 2 Jahren in den Cotswolds waren, sind wir nach Sudeley Castle gefahren. Was wir nicht wussten, dort wurde gerade eine Folge von „Father Brown“ gedreht. Die Serie kannten wir zwar nicht, aber als der Hauptdarsteller mit den anderen Darstellern in die Kapelle neben dem Castle wegen des Regens floh, denk ich so… boah woher kenn ich den, ich kenne den. Bis es mir endlich einfiel…. Ron Weasleys Vater Arthur. Gespielt von Mark Williams. Ich dachte, ich spinne. Wow. Ich war total fasziniert. Hab mich letztendlich nicht getraut, ihn anzusprechen für ein Foto. Hab es schon bereut, aber ich denke noch oft daran.
Ha, wie cool! :-) Ich hätte ihn wohl nicht erkannt, bin was Harry Potter angeht nicht so sehr bewandert. Dafür hab ich mir jetzt aber für meine Wanderung durch GB endlich mal alle Hörbücher besorgt! Ansonsten hoffe ich natürlich schwer auf den ein oder anderen Game Of Thrones-Schauspieler. :D
Danke für Deinen Kommentar!!
Eine sicherlich wahre Geschichte, denn so ist man, und „Ma’am“ dort.
Meine jüngste Tochter wurde in Kirkcaldy, Kingsom of Fife, am Firth of Forth, geboren.
Mein „claim to fame“ ist das Treffen mit Prinz Phillip damals als Vorsitzender des WWF in der Langen Lacke im Seewinkel im Burgenland. Na ja, und für die Golfer unter euch: ich stehe im Telefonbuch von St. Andrews, der Wiege ges Golfsports, da meine Frau dort ein Cottage von den Eltern erbte, das“White Cottage“ in Lower Largo. Dort gibt es übrigens auch einen Ladies course, auf dem wir Männer spielen „dürfen“…
ich wünsche Dir noch viele schöner Reisen
Du hast so bildlich geschrieben und man liest sehr gerne. Danke