Zuletzt aktualisiert am 26. Februar 2019
Ich hatte meine Limonade und die Packung Chips noch nicht ganz an der Kasse des kleinen Dorfladens in Dwellingup bezahlt, da wurde ich schon von Aaron und Ellen Campground bugsiert. Nicht dass ich die beiden bis dato schon mal getroffen hatte, aber: Ich hatte einen großen Rucksack auf. Sie hatten bis gestern einen großen Rucksack auf. Und somit war einfach klar, dass wir in einer Gang sind. Auf dem fünfminütigen Fußmarsch von der Ortsmitte zum Campingplatz bekam ich dann auch direkt alle Infos, die für einen Fernwanderer im Pausenmodus relevant sind: Waschmittel könne ich von ihnen haben, die Waschmaschine kostet 4 Dollar. Das Wasser der duschen wird heiß genug und der Strahl ist schön kräftig. Die letzte große Packung Trailmix im Store haben sie leider schon gekauft, aber es gibt noch kleinere Packungen, die dafür sogar weiße Schokostückchen enthalten. Die Post schließt um 4 und im Pub gibt‘s heute „Parmi“ (Pseudoschnitzel mit Zeug drauf) als Tagesangebot.
Was ich auf meiner Fernwanderung durch Großbritannien manchmal ein bisschen vermisst hatte, bekam ich hier auf dem Bibbulmun Track direkt in geballter Form: Die Gesellschaft von Menschen, die das gleiche machen wie ich. Die sich die gleichen Hügel hochkämpfen müssen, die gleichen Dinge vermissen, dieselben Wehwehchen beklagen. Die dieselbe Sonne während ihrer Pausen genießen, dieselbe Aussicht bewundern und manchmal sogar am gleichen Lagerfeuer die müden Beine nach einem langen Wandertag ausstrecken, während sie zufrieden in ihren Bechern, Tellern und Töpfen rühren.
So sehr ich meine zwei ersten Pausentage nach rund 200 km und 11 Wandertagen in Gesellschaft meiner gesammelten Wanderkollegen genoss, so sehr freute ich mich anschließend aber auch wieder darauf, zurück auf den Trail zu kommen.
Der Bibbulmun Track war bereits ein Stück weit zu meinem Zuhause geworden. Und das einfache Fernwandererleben hier im Busch hatte schon voll und ganz von mir Besitz ergriffen. Aufstehen mit dem ersten Licht der Dämmerung. Rucksack packen. Kaffee schlürfen und Frühstück essen. Ausgiebig räkeln und dehnen und dann laufen, laufen, laufen. Nach ca. 2 Stunden die erste kleine Pause, irgendwann nochmal eine. Nach Ankunft am Tagesziel Rucksack auspacken. Dehnen. Nudelsuppe löffeln. Lesen in der Sonne. Kartoffelbrei löffeln. Am Lagerfeuer sitzen, bis es dunkel wird. In den Schlafsack kriechen. Gute Nacht.
Nachdem am Anfang doch noch irgendwie alles neu war – der Rucksack auf dem Rücken, die Abläufe, die Geräusche, die Umgebung – kehrte ab Dwellingup eine gewisse Monotonie ein. Allerdings eine Monotonie der besten Sorte. Die Landschaft bot wenig Überraschungen und versetzte mich doch jeden Tag aufs Neue in Verzückung. Viele Vögel konnte ich mittlerweile schon an ihrem Ruf erkennen und blieb doch immer wieder stehen, um nach oben zu sehen und sie zu beobachten. Die Spicy Ramen Noodle Soup am Abend schmeckte immer gleich und war doch das, worauf ich mich manchmal schon morgens freute. Die abendlichen Gespräche mit Tom und Mary, mit denen ich mir in vielen Nächten den Shelter teilte, drehten sich irgendwie immer um dieselben Themen und wurden doch nie langweilig.
Und doch war mir irgendwann nach etwas Veränderung. Seit meinem Start in Kalamunda hatte ich nämlich noch keine Nacht alleine Campsite verbracht (mal abgesehen von der Nacht, in der ich wildgezeltet habe). Und auch wenn es selten mehr als ein oder zwei Leute waren, die sich mit mir am Shelter versammelten und auch wenn ich tagsüber während dem Wandern so gut wie nie jemanden traf und somit ziemlich viel Zeit für mich hatte, wollte ich einfach mal eine Zeit lang ganz für mich sein. Von morgens bis abends bis nachts bis morgens.
Also startete ich einen Tag früher als meine Mitwanderer aus Collie, der zweiten Track Town entlang des Bibbulmun. Und meine Rechnung ging auf! Drei Nächte lang hatte ich die Shelter ganz für mich allein, in vier Wandertagen traf ich nur zwei andere Menschen, die mir entgegenkamen. Und auch wenn die erste Nacht so ganz allein in der Holzhütte ziemlich ungewohnt war und ich die beruhigende Existenz anderer Menschen um mich herum, die ich bis zu diesem Zeitpunkt schon so gewohnt war, etwas vermisste, fand ich das alles unglaublich gut. Da war es dann auch in Ordnung, dass ich das Feuerholz ganz alleine zusammensammeln musste…
Es hätte ruhig noch ein paar Tage länger so weitergehen können, aber nachdem ich in Balingup dann doch ganz ungeplant einen Pausentag eingeschoben hatte (das Essen im dortigen Café war einfach zu lecker und außerdem konnte meine Linke Wade tatsächlich etwas Entspannung und Magnesium vertragen), holten mich zwei meiner Mitwanderer wieder ein. Das war aber ziemlich okay, zumal ein durchaus wichtiger Meilenstein anstand, den man vielleicht doch lieber in Gesellschaft mit Limonade begießt: Die Ankunft in Donnelly River Village, dem Quasi-Halbzeit-Punkt entlang des Bibbulmun Track! Die eigentliche Mitte liegt zwar erst etwas dahinter, aber da gibt es ja dann keine Limonade zum begießen.
Und auch sonst ist Donnelly River Village ein ziemlich besonderer Punkt auf der Bibbulmun-Landkarte: Zum einen erreicht kurz vor dem Örtchen die ersten großen Karri-Eukalyptus-Bäume (von denen noch viele weitere folgen werden) und damit die erste große Veränderung der Landschaft. Zum anderen hängen hier zahlreiche zahme Kängurus, Emus und Papageien rum, liegen faul in der Sonne, lassen sich kraulen und kommen sogar auf die Veranda des alten Schulhauses geklettert, das als rudimentäre Backpacker-Unterkunft dient. Aber auch das Dörfchen an sich ist einfach ziemlich cool, mit seinen im Kreis angeordneten Holzhäuschen, die früher den Wald- und Holzarbeitern als Unterkunft dienten und heute als Ferienhütten vermietet werden und mit dem kleinen, charmanten General Store aka Café, der der Dreh- und Angelpunkt des Geschehens ist und einen mit allem versorgt, was man so braucht.
Ja, es war ein wahrlich guter Ort, um die ein oder andere Limonade zu köpfen und darauf anzustoßen, dass es von hier aus quasi genauso viele Kilometer zum Startpunkt in Kalamunda wie zum Endpunkt in Albany sind.
Kleine Trailstatistik – Kilometer 203 – 477:
Längste Etappe: 33 km
Kürzeste Etappe: 16 km
Nächte im Shelter: 10
Nächte im Zelt: 0
Körperliche Gebrechen: verhärtetes linkes Wadl (eine große Dosis Magnesium hats aber wieder gerichtet…);
Schönste Erinnerung: Baden im gut gekühlten Murray River nach einem langen, schweißtreibenden Tag auf dem Trail
Blödeste Erinnerung: Pausen verderbende Stechmücken
Tiersichtungen (unter anderem): die erste Schlange (Dugite – giftig, aber scheu); Emufamilie inklusive 3 Küken; ein Opossum sowie das Hinterteil eines Tieres, dass so ähnlich aussieht, wie ein Opossum, aber keines sein kann weil buschig
Neu- und wiedergewonnene Erkenntnisse
- eine einzelne kleine Maus kann ziemlich viel Lärm machen
- Müsliriegel zum Frühstück sind sehr viel praktischer und besser als Haferflocken
- beige Socken für eine Fernwanderung in Australien zu kaufen ist vielleicht nicht gerade die beste Idee gewesen
- der Mumby Pub, seines Zeichens einziger Pub entlang des Weges (von den Track Towns mal abgesehen) hat neuerdings nicht nur dienstags, sondern auch Montag geschlossen
- Spicy Ramen Noodle Soup ist nicht von dieser Welt
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Hast Du noch Fragen zu meiner Wanderung oder willst sonst irgendwas loswerden? Dann rein damit ins Kommentarfeld!
10 Comments
Danke!
Immer lustig und kurzweilig geschrieben
Viel Spaß noch
Danke dir! :-)
Einfach nur megacool! Mich kribbelt es auch schon wieder in den Füßen aber ich muss gerade im Büro hocken.
Hike and Rock on!
Toll, toll, toll! Ich liebe deine Berichte, und das, obwohl meine Wanderlust ja immer schon nach spätestens einem Tag wieder verschwunden ist. Nennt man das dann überhaupt schon Wandern, oder ist das noch ein Spaziergang?
Jedenfalls: Bitte noch viel, viel mehr davon, danke!
Weiterhin viel Freude, wenig Regen und eine Masse an Momenten, die es wert sind, mit Limonade begossen zu werden,
Carmen
Vielen Dank, liebe Carmen! Vor allem das „wenig Regen“ kann ich im Moment gut gebrauchen. :-D Wandern… Spaziergang… hauptsache draußen! :-)
Irgendwie glaube ich, du bist der Farbe Lila nicht gänzlich abgeneigt.
Viel Freude und tolle Erlebnisse auch auf dem 2. Teil deiner kleinen Wanderung.
Falls du noch etwas Freizeit haben solltest, kannst du ja anschließend den Australian Alps Walking Track begehen ;-)
Das Lila ist tatsächlich eher Zufall als Absicht. :-D Danke dir!! Von dem Alps Track haben mir hier schon einige erzählt, aber meine übrige Zeit hier ist schon für einen Roadtrip an der Wetsküste verplant. Nächstes Mal!
Toller Bericht, ich freue mich schon richtig auf den nächsten.
Und das macht alles so richtig Lust, auch mal was in der Art auszuprobieren…
Verrückt, dass du die Hälfte schon wieder geschafft hast! So lange bist du doch noch gar nicht unterwegs. Hoffe du hast weiter viel Spaß, interessante Begegnungen und gutes Wetter für deinen Trip!
Ich bin soeben Fan von dir geworden :-). Kleine Frage: Wie kochst du Kaffee? Instant? Oder mit Filter? Ich war bisher „nur“ mit Kajak oder ähnlichem unterwegs, wo sich das Gewichtsproblem nicht so stellt und man auch eine vernünftige Kaffeemaschine mitnehmen kann. Aber beim Wandern möchte ich ja möglichst leicht unterwegs sein…
Tamara
Hallo Tamara,
in vielen Ländern, in denen ich so unterwegs war, gab es tollerweise Kaffeebeutel zu kaufen – also quasi wie Teebeutel, nur mit Kaffee. :-) Ansonsten greife ich auf löslichen Kaffee zurück – zwar nicht so lecker, aber draußen schmeckt ja irgendwie alles. Es gibt aber auch leichte, wiederverwendbare Kaffeefilter für den Outdoor-Einsatz, vielleicht wäre das eine Alternative?
Viele Grüße
Kathrin