Zuletzt aktualisiert am 24. Juni 2021

Awards für Outdoor-Ausrüstung gibt es schon, seit ich meinen Outdoor-Blog 2013 gegründet habe – und  bestimmt noch viel länger. Erste echte Berührungspunkte damit hatte ich, als ich begonnen habe, im Rahmen meines Bloggerinnendaseins Messen wie die ISPO oder die OutDoor zu besuchen. Feierlich wurden dort die Gewinner-Produkte verkündet, anschließend gab es eine Pressemitteilungsflut in meinem Email-Postfach. Wieso da jetzt ein Produkt genau gewonnen hat, wer das entschieden hat, was man eigentlich als potenzielle:r Käufer:in davon hat und ob das mehr ist als reines Marketing, das war mir ehrlich gesagt nie so wirklich klar. (Zugegebenermaßen hab ich mich aber auch nie so wirklich damit beschäftigt.)

Seit diesem Jahr gibt es noch einen Award. Einen speziell für Frauen. Und das habe ich zum Anlass genommen, Jana Erb, der Initiatorin des #she is outdoors Women’s Gear Award, ein paar Fragen zu stellen.

Mein Fazit: Gear Awards können eine coole Sache sein, wenn wirklich etwas dahinter steckt. Und ja, wir brauchen tatsächlich noch einen Award. Und zwar einen für AbenteurerINNEN. 

Aber lest selbst…

1. Liebe Jana, stell dich doch erstmal kurz vor. Wer bist du und was machst du?

Hallo liebe Kathrin, ich bin eigentlich Fotografin und produziere unter dem Namen KontraPixel vorwiegend Werbung und Editorial im Bereich Outdoor-Sport und Reise. In den ersten Jahren meiner Selbstständigkeit habe ich ‚nebenbei‘ im Globetrotter in München im Verkauf gearbeitet und bin dadurch irgendwie ein Gear Geek geworden. Ich bin Perfektionistin und optimiere für mein Leben gern – angefangen bei meinen Fotos und Videos bis hin zu dem Equipment, mit dem ich unterwegs bin.

©Jana Erb / Kontrapixel

2. Wie bist du auf die Idee für den #she is outdoors Award gekommen, und wie lange hat es von der ersten Idee bis zur konkreten Umsetzung gedauert?

Ich war in den letzten Jahren mehrmals Jury Mitglied beim Scandinavian Outdoor Award und hatte wahnsinnig viel Spaß dabei. In den letzten Jahren habe ich mich beruflich und persönlich viel mit der Positionierung von Frauen in der Fotografie beschäftigt – das Thema auf den Outdoorbereich zu erweitern, war nur die logische Konsequenz daraus.

Die Idee für den Award hatte ich im Februar, direkt nach der ISPO. Die Outdoorbranche tut sich meines Erachtens schwer mit dem Thema Digitalisierung und das schlägt sich in der Coronakrise ganz direkt auf all die, die professionell in dem Bereich arbeiten, nieder. Auch ich hatte in den letzten Monaten unverhofft viel Zeit und hab mir gedacht ‚Wenn nicht jetzt, wann dann?‘.  Also gesagt, getan… Ich habe mir Miriam Mayer, die ebenfalls Fotografin ist, ins Boot geholt und wir haben einfach angefangen. Ohne Umfragen, ohne Startkapital, ohne doppelten Boden – nur mit einer fixen Idee im Kopf, und dem Gefühl, dass der Branche genau so etwas fehlt..

Nach nur 10 Wochen ist dann die Anmeldung online gegangen – wir haben schlussendlich für die erste Runde 28 Marken mit 37 angemeldeten Produkten an Bord. Zudem haben wir viele tolle Partner am Start und haben uns für unser hybrides Event (Achtung Spoiler: haltet euch den 31.07 schon mal frei ;) ) noch Moni mit der SPORTINGWOMEN Community und Maria von mec Miller als Eventmanagerin an Bord geholt. Geballte Frauenpower also!

3. Was möchtet ihr mit dem Award erreichen?

Wir Frauen haben in der Outdoor Branche schon einen langen (steinigen und steilen) Weg hinter uns. Es ist noch gar nicht so lange her, dass sich die Frauen noch heimlich aus dem Haus schleichen mussten, und in langen Röcken die ersten Gipfel und Felswände erklommen haben. Als in den 90ern die ersten Marken angefangen haben, Produkte spezifisch für Frauen zu entwickeln, ging es vor allem um Prints und Farben. Die Idee zu diesem Award entstand aus zwei Bedürfnissen heraus: Zum einen möchten wir eine gleichwertige Behandlung von Outdoor-Abenteuerinnen und Athletinnen mit ihren männlichen Kollegen in der Outdoor-Industrie anstreben. Zum anderen wollen wir allen aktiven Frauen eine Stimme verleihen und sie am Prozess zur Entwicklung von optimal auf ihre Interessen und Bedürfnisse angepasste Outdoor Produkte teilhaben lassen.

©Miriam Mayer

4. Kannst du in ein paar einfachen Sätzen erklären, wie so ein Award eigentlich funktioniert und was sowohl die Teilnehmer / Gewinner als auch wir als outdoorbegeisterte Frauen davon haben?

Der erste Schritt ist, dass die Marken gezielt einzelne Produkte einreichen, auf die sie besonders stolz sind oder die sie für besonders geeignet halten. Bei der Anmeldung können sie zwischen verschiedenen Kategorien wählen – OUTDOOR PROFESSIONALS UND EXPEDITION, CAMPING, HARDWARE, FOOTWEAR (Schuhe), und APPAREL (Bekleidung). Nach der Anmeldung erhalten die Marken dann einen umfangreichen Fragebogen und eine Liste mit Infos, Daten und Dateien, die wir brauchen. Nachdem die Samples bei uns eingetroffen sind, gehen wir jetzt durch verschiedene Phasen von Jurymeetings. Unter den aktuellen Umständen haben wir vorab digitale Meetings anberaumt, mit etwas Glück können wir aber Ende Juli alle in Interlaken in der Schweiz zusammen kommen und die eingereichten Produkte unter realen Verhältnissen testen. Bewertet werden die Produkte hinsichtlich folgender Kriterien: Funktionalität, Verarbeitungsqualität, Material, Nachhaltigkeit, Innovation, Einsatzbereich / Zielgruppe und Design.

Am 31. Juli gibt es dann im Rahmen eines kleinen hybriden Events die Preisverleihung. Es geht uns vor allem darum, die Aufmerksamkeit auf die Bedürfnisse und Wünsche der Zielgruppe Frau zu lenken. Im besten Fall haben danach die Marken ein besseres Verständnis dafür, was wir Frauen uns von den Produkten erhoffen und wie sie uns mit gezielten Kampagnen ansprechen und mit Produktwissen versorgen können. Und wir Frauen haben in naher Zukunft Produkte, die unseren Bedürfnissen gerecht werden und uns inspirieren, von neuen Abenteuern träumen lassen und unseren Alltag gemütlicher und komfortabler machen. Also ein klares Win-Win für alle Beteiligten!

5. Wie habt ihr die Jury ausgewählt? Was macht die Teilnehmerinnen aus?

Wir haben versucht, unsere Jury so breit gefächert wie möglich aufzustellen. Dafür haben wir sowohl langjährige Branchenexpertinnen z.B. mit Schwerpunkt auf Textiltechnologie, Schnittmuster oder Nachhaltigkeit dabei, als auch eine Einkäuferin auf dem lokalen Einzelhandel sowie Leistungssportlerinnen und Journalistinnen, die die Produkte in ihrem Alltag auf Herz und Nieren prüfen. Generell kann man sagen, dass alle Jurymitglieder gerne draußen unterwegs sind, Dinge analysieren, optimieren und sich nicht mit ‚geht schon irgendwie‘ zufrieden geben.

6. Der Fokus speziell auf Frauen bei solchen Themen ist ja oft ein zweischneidiges Schwert. Ich hatte diese Diskussion bereits öfter (sowohl mit mir selbst als auch mit anderen), zum Beispiel bezüglich meiner Facebook-Gruppe für AbenteurerINNEN. Einerseits möchte man, dass wir alle einfach gleich behandelt werden, andererseits scheint es durchaus wichtig und richtig, ein besonderes Augenmerk auf die weibliche Perspektive im Outdoorbereich zu legen – allein schon, weil sie viel zu lange vernachlässigt wurde. Wie hast du diese Frage für dich und dein Projekt entschieden?

Als Fotografin bin ich mit diesem Thema fast noch stärker konfrontiert als im Outdoorbereich. Meine Erfahrung in den letzten Jahren hat (obwohl ich dem Thema anfangs mehr als skeptisch gegenüber stand) gezeigt, dass in reinen Frauengruppen eine viel größere Offenheit herrscht als in gemischten Gruppen. Die gegenseitige Unterstützung ist großartig und gefühlt kommen wir im Austausch untereinander viel schneller zum Ziel. Solange in den Jurys für Awards und Auszeichnungen – in welchem Themen-Bereich auch immer – hauptsächlich Männer sitzen, und die Produkte in der Regel anhand des Männer Samples beurteilt werden, gibt es meines Erachtens eine absolute Notwendigkeit für einen Fokus auf dem Thema Frauen in der Produktentwicklung. Solange es noch Marken gibt, deren Marketing-Abteilung überzeugt ist, dass Frauen nicht zu Abenteuern inspiriert werden wollen, sondern eigentlich bei den Produkten nur auf die Farbe und nicht das Material schauen, müssen wir unsere Bedürfnisse klar und deutlich formulieren. Solange es normal ist, dass Frauen bei der Wahl ihrer Ausrüstung einen Kompromiss eingehen – sei es dass die Rückenlänge des Rucksacks zu lang, der Schlafsack nicht expeditionstauglich und die Hardshelljacke mit dem 100 denier Außenmaterial in keinem Laden im Umfeld von 200 km im Sortiment ist – müssen wir das Thema deutlicher ansprechen, als es manchmal angenehm ist. Es geht dabei ja nicht darum, Männer per se auszuschließen, sondern darum, die Optionen für eine Zielgruppe, die immerhin ~50% der Bevölkerung ausmacht, zu erweitern.

©Jana Erb / Kontrapixel

7. Welche Wünsche und Forderungen hast du an die Outdoor-Industrie im Hinblick auf Frauen, auch über die reine Produktentwicklung hinaus?

Es wird uns in Gesprächen häufig vorgehalten, dass Frauen kein so großes Interesse an den Produkten selbst haben und sich für die neuesten Features nicht besonders interessieren. Das ist meines Erachtens so nicht richtig. Die Herangehensweise ist einfach eine andere. Frauen interessieren sich tendenziell weniger für Testberichte von Magazinen oder Online-Foren – unter anderem, weil der Großteil der dort repräsentierten Tester männlich ist. Dafür ist aber der Austausch untereinander deutlich größer. Allein die Tatsache, dass NACH einem Beratungsgespräch im Einzelhandel und einer ausführlichen Recherche online in einer Facebook Gruppe noch die persönliche Einschätzung anderer Mädels abgefragt wird, ist für mich ein Indikator dafür, dass wir beim Marketing und der Beratung für Frauen noch wahnsinnig viel Luft nach oben haben.

©Jana Erb / Kontrapixel

8. Was macht für dich ein Produkt, das (auch) für Outdoor-SportlerINNEN entwickelt wurde, aus? Was müssen die Produkte mitbringen, um eine Chance auf den Gewinn zu haben?

Die meisten Produkte werden erst einmal für Männer bzw. ‚Unisex‘ entwickelt und dann in Größe und Passform für Frauen adaptiert. Der Grund dahinter ist absolut nachvollziehbar. Die meisten grundlegenden Bedürfnisse sind ja menschlich und somit erst einmal sehr ähnlich. Allerdings werden immer noch sehr häufig nur die offensichtlichsten Punkte adaptiert wie die Größe, der Schnitt und die Farbe. Dass es aber für Frauen besser wäre, wenn der Reißverschluss anders verlaufen würde, die Jacke an einer Stelle mehr oder weniger isoliert wäre oder der Sohlenaufbau vom Schuh besser an ihren tatsächlichen Einsatz adaptiert wäre, fällt dabei häufig hinten runter.

Wer sich die eingereichten Produkte genauer anschaut wird sehen, dass wir auch das ein oder andere ‚Unisex‘ Produkt dabei haben. Wenn ein solches Produkt so gut ist, dass es im Vergleich zu speziell für Frauen entwickelten Produkten brilliert, dann ist das unserer Meinung nach auch auszeichnungswürdig, weil es eben WIRKLICH Unisex ist. Die Fragen, die die Jury sich diesbezüglich zum Beispiel stellt, sind: Erfüllt das Produkt meine Bedürfnisse? Brauche ich es wirklich? Und funktioniert es für mich auf die Art und Weise, wie es ursprünglich geplant war, oder adaptiere ich es vielleicht sogar in irgendeiner Form?

Die Gewinnerprodukte befriedigen also ein reelles Bedürfnis, sind in der Passform perfekt an die weibliche Anatomie angepasst, hochwertig verarbeitet und haben natürlich nicht zuletzt ein ansprechendes Design. Dass ein Produkt und die Marke gewisse Nachhaltigkeitskriterien erfüllen muss, sollte in der heutigen Zeit eine Selbstverständlichkeit sein. Wir suchen erklärte Lieblingsprodukte, bei denen das Gesamtpaket eben einfach stimmt. Bei denen jedes Mal wieder die Augen leuchten und wir uns denken „GENAU DAS HAB ICH SCHON IMMER GESUCHT!“ „DAS HABE ICH AB JETZT AUF JEDER TOUR DABEI!“ „DA WÄRE ICH JA NIE DRAUF GEKOMMEN, ABER WIE GENIAL IST DAS DENN BITTE?!“ oder „WIE KONNTE ICH NUR JEMALS OHNE??“

©Miriam Mayer

Fotonachweis Titelbild: Lukas Reumschuessel

3 Comments

  1. Hallo zusammen,

    super Sache dieser Award und ein sehr wichtiges Thema immer noch, wenn sich auch seit den 90er-Jahren in der Hinsicht schon sehr viel getan hat.

    Was ich mich dabei unter anderem oft frage: Wenn doch angeblich die weiblichen 50% der Menschheit hauptsächlich auf die Farbe eines Produkts achtet (was definitiv nicht stimmt!), warum läuft es dann immer noch häufig darauf hinaus, alles frauenspezifische tendenziell in Pastell oder Pink zu produzieren. Sicher bin ich nicht die einzige Frau auf diesem Planeten, die sich die Männerjacke anschaut und denkt: „So ein schönes kräftiges Blau (oder Grün oder …) hätte ich auch gern!“ Und dann gibt es das Pendant für Frauen wieder nur in Hellblau, Hellgelb oder Pink … Oder der Outdoorschuh, den es für Männer meist selbstverständlich in unauffälligem Schwarz gibt und als Frau darf ich mich zwischen schreiend bunt und schwarz mit weißer Sohle und rosa Streifen entscheiden.

    Klar ist das ein Nebenschauplatz und es ist wesentlich wichtiger, dass die Schnitte frau wirklich passen und Material und Verarbeitung stimmen. Doch so ganz unwichtig ist letztlich auch die Farbauswahl nicht, damit man eine Jacke, einen Schuh, einen Rucksack gerne erwirbt und dann auch nutzen mag.

    Herzliche Grüße

    Eva

    • „: Wenn doch angeblich die weiblichen 50% der Menschheit hauptsächlich auf die Farbe eines Produkts achtet (was definitiv nicht stimmt!), warum läuft es dann immer noch häufig darauf hinaus, alles frauenspezifische tendenziell in Pastell oder Pink zu produzieren“

      Extrem viele Frauen, die ich kenne, schauen zuerst auf die Farbe … Das ist nun mal Fakt.
      Und sehr viele Frauen die ich kenne, stehen auf Pastelltöne und Pink (Fräulein Outdoor übrigens auch, wie man an ihren Sachen sehen kann ;-) ).

      Bei mir geht es oft anders rum: die Farbkombinationen bei Frauenschuhen im Outdoorbereich sind oftmals interessanter und viel abwechslungsreicher und ich denke mir oft: wie schade, dass es bei den Männern immer nur Braun, Schwarz, Dunkelblau oder irgendwelche Neonfarben gibt…

      • Fräulein Draußen Reply

        Danke, dass du uns das erklärt hast, Dirk!

Write A Comment