Sobald ich das Stadtgebiet von Punta Arenas verlassen habe, bin ich mitten drin in diesem Patagonien, das ich mir so oft vorgestellt habe und das ich von so vielen Bildern kenne. Egal in welche Richtung ich aus den Fenstern meines Mietwagens blicke: Um mich herum nichts als weite Grassteppe, die an Kargheit, aber auch an Schönheit kaum zu überbieten ist. Diese Art von Schönheit eben, bei der eigentlich gar nichts da ist und man sich trotzdem nicht satt sehen kann. Und wäre das alles nicht schon genug an überwältigender Szenerie, taucht plötzlich über mir auch noch ein sehr stattlicher Vogel auf, der quasi mühelos gegen die starken Winde ansegelt. Mein Herz hüpft. “Das muss ein Andenkondor sein!”, schießt es mir durch den Kopf. Einer jener Vögel, die mit bis zu 3 Metern Flügelspannweite die größten ihrer Art und damit zweifelsohne die Könige der patagonischen Lüfte sind. Und mit dieser Vermutung treffe ich voll ins Schwarze. Was für eine Begrüßung am Ende der Welt.

Meine Hände sind trotz der Bilderbuch-Anblicke, die sich mir bieten, relativ unentspannt an das Lenkrad geklammert. Denn die  starken Windböen fegen ganz und gar ungebremst über die weiten Ebenen, durch die die Ruta 9 Richtung Norden führt. Als ich anhalte, um diese erste Etappe meiner 2-wöchigen Reise auch bildlich festzuhalten, halte ich die Autotür mit beiden Händen fest und öffne zudem noch das Fenster, um den Wind weniger Angriffsfläche zu bieten.  So macht man das als professioneller Patagonien-Reisender.

Irgendwann teilt sich die Straße und ich biege nach Nordosten auf die Ruta 255 ab. Würde ich hier der Nummer 9 weiter nach Norden folgen, wäre ich bald schon im wohl berühmtesten Touristenmagneten Patagoniens: Dem Torres Del Paine Nationalpark. Mir allerdings ist jetzt nach etwas mehr Ruhe und vor allem auch danach, diesen Teil der Erde erstmal auf etwas unentdeckteren Pfaden zu erkunden.

Und der kleine Nationalpark, den ich als erstes ansteuern möchte, ist so einer. Pali Aike ist sein Name, übersetzt bedeutet das so viel wie Teufelsland, was wohl am gleichnamigen Vulkanfeld und seinen schwarzen und rötlich gefärbten Kratern und Höhlen liegt.

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An der kleinen Siedlung Punta Delgada biege ich von der bestens erhaltenen Asphaltstraße auf eine Schotterstraße ab, die auf weiteren 27 Kilometern bis zum Eingang des Nationalparks führt. Neben jeder Menge Guanakos sehe ich hier vor allem Anlagen zur Ölförderung, einer der wichtigsten Einnahmequellen der Region. Irgendwann taucht am Horizont ein kleines Häuschen auf, in dessen Richtung mich die Wegweiser leiten. Hier befindet sich das kleine Besucherzentrum des Parks und damit auch dessen Eingang. Da die Schranke genauso wie die Tür zum Besucherzentrum geschlossen ist, mache ich mich auf die Suche nach dem Guardaparque, dem Ranger des Nationalparks. Und werde bald schon fündig, denn er wohnt direkt hinterm Besucherzentrum in einem weiteren kleinen Häuschen.

Glücklicherweise spricht er etwas Englisch – keine Selbstverständlichkeit in Patagonien, wie mir auf meiner weiteren Reise noch manches mal schmerzlich bewusst werden sollte! Und mit diesem Englisch erklärt er mir, dass der Park heute geschlossen habe, weil in den Tagen zuvor zu viel Regen gefallen sei. Nicht gerade das, was man hören will, wenn man nach 30 Stunden Reisezeit, einer zu kurzen Nacht in Punta Arenas und einer 3-stündigen Autofahrt durchs stürmische Patagonien endlich einfach mal irgendwo ankommen möchte. Aber in einer Gegend wie dieser ist wohl einfach nichts selbstverständlich und je früher man sich damit abfindet, desto mehr wird man eine solche Reise genießen können.

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Und in meinem Fall gibt es sogar noch Hoffnung! Denn nachdem der Ranger erst auf mein trauriges Gesicht und dann auf mein geländegängiges Fahrzeug geblickt hat, bietet er mir an, die Nacht auf dem kleinen Parkplatz vor der Schranke zu verbringen und verspricht mir, dass ich direkt am nächsten Morgen in den Park fahren darf. Gesagt, getan. Ich richte mich in meinem Mietwagen, der groß genug ist, um bei umgeklappter Rückbank eine gute Schlafstätte zu sein, häuslich ein und mache mich dann von dort aus auf, einen Teil des Parks zu Fuß zu erkunden. Denn was für Autos gilt, gilt für Wanderer noch lange nicht! Und so laufe ich einfach auf der kleinen Schotterstraße, die durch den Park führt und atme zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit ganz tief durch. Es ist eisig kalt, aber der Wind hat etwas nachgelassen und die Sonne strahlt mit dem blauen Himmel um die Wette.

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Nach zwei Stunden bin ich wieder am Auto, die Sonne ist gerade im Begriff hinterm Horizont zu verschwinden. Schnell koche ich noch ein paar Nudeln auf meinem Gaskocher und beziehe dann das Innere meines Autos, welches mir zwar perfekten Schutz vorm Wind, aber nicht vor den eisigen Temperaturen bietet. Der Parkranger hat das wohl geahnt und lädt mich am nächsten Morgen erstmal auf eine Tasse heißen Kaffee ein. Anschließend drücke ich ihm die 3.000 Pesos (umgerechnet rund 4 Euro) Eintrittsgeld in die Hand und endlich darf ich die Schranke mit dem Auto passieren.

Mein erstes Ziel ist die Laguna Ana, in der sich neben anderen Vögeln auch Flamingos tummeln – allerdings nur in der Theorie, denn als ich an dem See ankomme, tummelt sich dort nicht so wirklich viel, und Flamingos schon gar nicht. Ein schöner Anblick ist er trotzdem, und außerdem startet von hier aus der längste Wanderweg im Park, der auf 9 Kilometern vom See bis zum Cueva Pali Aike führt. Ich wandere aus Zeitgründen allerdings nur in etwas bis zur Hälfte, denn ich will an diesem Tag noch die argentinische Grenze überqueren und habe keine Ahnung, wie lange das wohl dauern mag. Außerdem ist dieser Teil des Parks ebenfalls auf vier Rädern erreichbar, also setze ich mich nach der etwas verkürzten Wanderung wieder ins Auto und fahre einfach dorthin. Vor rund 11.000 Jahren, als das Eis der Gletscher sich bis auf die Berggipfel der Anden zurückgezogen hatte und das Klima damit wieder lebensfreundlicher wurde, kamen hier die ersten Siedler an. Eindeutige Zeichen dafür gab eine 17 m tiefe Höhle bei Ausgrabungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts preis.

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Heute kommen die Menschen immer noch bzw. wieder hierher, allerdings in der Regel nicht sehr viele davon und so habe ich die Krater und Vulkanlandschaften heute ganz für mich allein. Zumindest wenn man von der Guanako-Herde absieht, die mich auf der kleinen Wanderung zum Cráter Morada del Diablo und zu den Pozos del Diablo irgendwie zu verfolgen scheint.

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Beim Wandern im Pali Aike Nationalpark läuft man immer wieder direkt auf dem scharfkantigen Lavagestein. Auch wenn die Wanderungen im Prinzip nicht schwierig sind, sollte auf jeden Fall festeres und damit schützendes Schuhwerk am Fuß sein. Wie zum Beispiel die Innox GTX Mid Ws von Lowa, leichte Textilschuhe, die trotzdem eine robuste Sohle und zusätzlichen Zehenschutz  bieten.

Zum Abschied gibt es noch einen frisch gebrühten Kaffee in der Sonne. Der bisher allgegenwärtige Wind ist plötzlich ganz still geworden, die Sonne scheint so warm, dass man es fast T-Shirt-Wetter nennen könnte. Ich setze mich auf die Erde, höre der Stille zu und lasse meinen Blick über die von schwarzem Vulkangestein durchzogene Steppe wandern. Zwei Wochen voller Abenteuer am Ende der Welt liegen vor mir. Was sie bringen werden, weiß ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Aber dass sie gut sein werden, das weiß ich. Und dass der Besuch im kleinen, einsamen  Nationalpark Pali Aike der perfekte Einstieg in meine Reise war, das weiß ich auch.

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Mein Fazit zum Pali Aike Nationalpark

Muss man den Pali Aike Nationalpark unbedingt gesehen haben? Wahrscheinlich nicht. Und dennoch war er einer der Highlights meiner Patagonienreise. Weil man hier auf Tuchfühlung mit der Steppe gehen kann, durch die man sonst nur hindurch fährt. Weil der Park voller Tiere wie Guanakos, Nandus, Gürteltiere, verschiedenster Vogelarten und vielen mehr ist, die man in aller Ruhe beobachten kann. Weil man sich hier ohne große Ablenkung die Zeit nehmen kann, die Weite der Landschaft ganz in Ruhe genießen zu können. Weil das golden leuchtende Grasland im Sonnenuntergang ein Anblick ist, den man gar nicht oft genug sehen kann. Und weil man hier Patagonien einfach mal ganz für sich alleine hat.

Wanderungen im Pali Aike Nationalpark

Die längste Wandermöglichkeit im Park ist der 9 km lange Trail, der die Laguna Ana mit der Cueva Pali Aike verbindet. Da der Abschnitt bei der Laguna Ana allerdings eher weniger spektakulär ist, würde ich Dir bei begrenzter Zeit eher raten, vom Cueva Pali Aike zu starten und von hier aus einfach so weit zu laufen, wie Du möchtest.

Daneben gibt es noch eine kürzere Tour, die etwas östlich von der Cueva Pali Aike startet und mitten rein in die Lavalandschaft führt. Bis zum Vulkankrater Morada del Diablo sind es 1,7 km und von dort aus nochmal weitere 2 km one-way bis zu den Pozos del Diablo. Diese Tour lohnt sich auf jeden Fall sehr!

Daneben gibt es noch zwei kurze Spaziergänge vom Parkplatz hinunter zur Laguna Ana und zum Cueva Pali Aike, die Du auf jeden Fall machen solltest, die aber kaum als Wanderungen bezeichnet werden können.

Reisetipps für den Pali Aike Nationalpark

Lage und Anfahrt: Der Pali Aike liegt rund 192 km und 3 Stunden Fahrzeit von Punta Arenas entfernt direkt an der Grenze zu Argentinien. Die beste und eigentlich auch einzige Möglichkeit der Anreise besteht im eigenen Mietwagen. Bis Punta Delgada, wo die Schotterstraße zum Nationalpark von der Ruta 255 abzweigt, gibt es zwar eingeschränkt Busverkehr, von hier aus sind es allerdings immer noch 27 km bis zum Eingang des Nationalparks. Manche Anbieter bieten zudem Tagesausflüge von Punta Arenas aus an. Hierfür erkundigst Du Dich am besten im Besucherzentrum oder im Vorhinein im Internet.

Beste Reisezeit: Die beste Reisezeit für den Nationalpark ist wie auch für den Rest Patagoniens Oktober bis April. Im Gegensatz zu anderen Orten wird es hier aber auch zur Hauptsaison zwischen Dezember und Februar bestimmt nie sehr voll.

Unterkunft und Camping: In manchen Reiseberichten und auf Hinweisschildern findet sich die Info, dass es rustikale Campingmöglichkeiten im Park gibt. Ich habe dort wo sie laut Karte sein sollten allerdings keine Hinweisschilder oder ähnliches gesehen und auch auf der Übersichtskarte am Parkeingang gab es keinen Vermerk dazu. Es ist aber auf jeden Fall zumindest möglich, so wie ich kostenlos auf dem kleinen Parkplatz vorm Parkeingang zu schlafen. Hier gibt es auch Toiletten mit fließendem Wasser und der Boden ist für Zelte geeignet. Da drumherum außer dem Besucherzentrum und der Behausung des Rangers nichts ist, ist das nicht gerade die schlechteste Wahl. Zudem gibt es in Punta Delgada einfache Schlafmöglichkeiten und ein Restaurant, auf dessen Öffnungszeiten man sich aber vermutlich nicht verlassen sollte. Ansonsten eignet sich ein Besuch im Park auch als tagesfüllende Tour von Punta Arenas aus.

Eintritt: Für ausländische Reisende kostet der Eintritt in den Park 3.000 Chilenische Pesos pro Person, also rund 4 Euro. Diese solltest Du am besten passend dabei haben, denn mein 10.000-Pesos-Schein wurde bereits vehement abgelehnt.

Infrastruktur: Im kleinen Besucherzentrum gibt es Toiletten, fließendes Wasser und jede Menge Infos zum Park. Durch den mit 50 km² Fläche eher kleinen Park führt eine eher rustikale, aber gut befahrbare Schotterstraße in nördliche Richtung bis zur Laguna Ana und in östliche Richtung zu den Kratern und Höhlen.

Zeitaufwand: Ohne die lange Wanderung solltest Du ca. 3-4 Stunden für den Park einplanen, mit allen Wanderungen eher 6 Stunden.


Warst Du auch schon mal im Pali Aike Nationalpark oder hast noch mehr Tipps für unbekannte Ecken im Süden von Chile und Argentinien? Ich freu mich auf Deinen Kommentar!

4 Comments

  1. Ich bin neidisch! Das ist so schön und sowas von mein nächstes Traumziel zum Wandern!

    Danke für die Einblicke!

    Jasmin

  2. Tolle Bilder. Da bekomme ich direkt Fernweh, alleine wegen des Alleineseins. Etwas zum Aufwärmen darf aber scheinbar nicht fehlen als Frostbeule, wie ich es bin. Danke für die tolle Beschreibung :-)

    • Fräulein Draußen Reply

      Etwas zum Aufwärmen ist in Patagonien immer eine gute Idee! Und wenns nur eine Kanne heißer Tee ist… :-)

      Viele Grüße,
      Kathrin

  3. Bernadette Hörner Reply

    Ich bin mit 21 Jahren mit dem Rucksack für 10 Monate einmal um die Welt gereist. Inzwischen bin ich 38, aber die Erlebnisse sind immer noch ganz wach, wenn ich sie mir ins Gedächtnis rufe. Viele Monate habe ich in Südamerika verbracht. In Chile war ich in dem Nationalpark Torres del Paine. Eine Woche wandern ohne eine Menschenseele zu sehen, auch einen Laden gab es auf der ganzen Strecke nicht.
    Es war herrlich, nicht nur die Landschaft sondern auch die Einsamkeit.

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