Zuletzt aktualisiert am 16. Februar 2021

Hand aufs Herz: Hättest du den einzigen in deutschen Gewässern lebenden Wal beim Namen nennen können?  Oder hast du vielleicht gar nicht gewusst, dass in der deutschen Nord- und Ostsee Wale leben?

Zugegeben, der kleine Schweinswal ist „ein bisschen“ unscheinbarer als seine großen Verwandten wie Buckelwal oder Orca. Ausgewachsene Tiere werden noch nicht mal zwei Meter lang. Weniger faszinierend ist er deswegen noch lange nicht, und weniger schützenwert erst recht nicht.

Die Schweinswale in der Ostsee sterben aus

Dennoch mangelt es genau daran, obwohl die Schweinswale insbesondere in der Ostsee stark  vom Aussterben bedroht sind. Dort schwimmen nur noch geschätzte 400 bis 500 Exemplare im Wasser. Eines der größten Probleme für die Tiere ist – neben Faktoren wie Unterwasserlärm oder Verschmutzung – die Stellnetzfischerei. Dabei werden die Netze nicht geschleppt, sondern sind je nach Netzart am Boden verankert oder hängen an Bojen im Wasser. Eigentlich sind die Maschen der Netze so konstruiert, dass nur Fische einer bestimmten Größe wie Kabeljau oder Scholle daran hängen bleiben. Allerdings sind die Maschen so dünn, dass sie von den Schweinswalen, die sich akustisch orientieren, nicht geortet werden können. Sie verfangen sich in den Netzen und ertrinken jämmerlich, denn sie müssen in etwa alle sechs Minuten zum Luftholen auftauchen. (Ähnlich ergeht es übrigens auch vielen tauchenden Seevögeln.)

Wenn die Fischer die Netze aus dem Wasser holen, schneiden die die toten Schweinswale frei und werfen sie über Bord. Viele davon  sinken irgendwann zum Grund, andere werden an die Strände der Nord- und Ostsee gespült. Dort kann man die Netze oft ganz leicht und eindeutig als Todesursache ausmachen, durch Schnittwunden in der Haut oder abgerissene Flossen zum Beispiel.

Gestrandeter Schweinswal mit eindeutigen Einschnitten von Netzen auf der Haut. (© Jan Haelters)

Es ist eine gut bewiesene Tatsache, dass diese Art der Fischerei den Untergang für viele Tiere oder gar ganze Arten in einem bestimmten Gebiet bedeuten kann. Und doch ist die traurige Wahrheit: Bei uns darf selbst in ausgewiesenen Schutzgebieten, die sogar speziell für Schweinswale eingerichtet wurden (!),  noch mit Stellnetzen gefischt werden. Mit sicheren Refugien für die Tiere haben die „Schutz“-Zonen also überhaupt nichts zu tun. Und das ist genau so absurd wie es klingt.

Die Schutzgebiete der Ostsee, die den Schweinswalen als sichere Zone dienen sollen… theoretisch! (© WDC)

Dieser sogenannte Beifang  – so bezeichnet man die vielen Millionen Lebewesen, die in Fischernetzen so ganz nebenbei ihren Tod finden –  ist übrigens nicht nur ein Problem von Stellnetzen, der Ostsee oder der Schweinswale. Schätzungsweise sterben jedes Jahr etwa 100 Millionen Haie und Rochen,  300.000 Wale und Delfine und 100.000 Albatrosse in den Fischernetzen dieser Welt. Und das ist nur eine kleine Auswahl.

Wenn allerdings selbst in einem Land wie Deutschland in geschützten Gebieten Tiere davor nicht sicher sind, verwundert das fast nicht mehr – so unvorstellbar diese Zahlen auch sind.

Umso besser, dass es Organisationen wie WDC gibt, die sich für echten Schutz von Schweinswalen einsetzen. Durch Protestaktionen und Unterschriftensammlungen, Gespräche und Treffen mit Entscheidungsträgern, Information und Bildung der Öffentlichkeit und vieles mehr. Und auch du kannst dazu beitragen, dass die verbleibenden Ostsee-Schweinswale den Schutz bekommen, den sie verdienen und so dringend benötigen.

Ein Tod, der unnötiger nicht sein könnte… (© Alexei Birkun Jr.)

Schweinswale zu schützen ist dabei nicht nur wichtig für die Tiere, sondern auch für uns selbst: Meere bedecken 71 Prozent der Erdoberfläche und ihre Ökosysteme halten den ganzen Planeten intakt. Sie dienen als Kohlenstoffspeicher, regulieren das Klima, erzeugen circa 70 Prozent des gesamten Sauerstoffs auf der Erde, sichern unser Trinkwasser und vieles mehr. Vorausgesetzt, das Ökosystem ist gesund und kann seine Arbeit tun.  Dafür wird jedes Lebewesen, jede Art im Meer gebraucht. Vom klitzekleinen Phytoplankton bis zum Blauwal, dem größten Säugetier der Erde. Oder eben auch „unser“ Schweinswal in der Ostsee.

Unterstütze die Petition von WDC

Mitte November 2020 startete die Meeresschutzorganisation Whale and Dolphin Conservation Deutschland

eine Kampagne zum Schutz der Schweinswale in deutschen Gewässern, unter anderem mit einem offenen Brief an Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner sowie einer daran geknüpften Petition.

Die Forderungen von WDC an die Politik (im Original-Wortlaut):

  • Stellnetze raus aus Meeresschutzgebieten: Die Bundesregierung muss die von der EU angemahnten Maßnahmen zur Verbannung von Stellnetzen aus Schutzgebieten sofort umsetzen und langfristig kontrollieren – für alle deutschen Meeresgewässer.
  • Beifang verhindern: Außerhalb von Schutzgebieten müssen weitere Maßnahmen ergriffen werden, um den Beifang von Walen effektiv zu verhindern, etwa räumlich-zeitliche Einschränkungen der Fischerei oder auch der übergangsweise Einsatz von Pingern.
  • Alternative Fischereimethoden: Bund und Länder müssen alternative Fischereimethoden massiv fördern und ein umfassendes Konzept für eine Fischerei vorlegen, die sowohl umweltfreundlich ist, als auch den Bedürfnissen der Fischer:innen gerecht wird.

Bitte nimm dir Zeit und unterstütze die Petition. Das dauert noch nicht mal eine Minute – ich habs selbst ausprobiert:

Der Petitionstext

Sehr geehrte Frau Bundesministerin Klöckner,

Bitte setzen Sie sich für die Rettung eines der größten Naturschätze in den deutschen Meeren ein – den Schweinswal!

Jedes Jahr kommen Hunderte dieser Tiere in der deutschen Nord- und Ostsee um, viele davon sterben in Stellnetzen einen qualvollen Tod. Gleichzeitig dürfen Stellnetze selbst in Schutzgebieten weiterhin uneingeschränkt eingesetzt werden – also gerade dort, wo diese Tiere besonders geschützt sein sollen. Das darf nicht sein!

Der Schweinswal ist in der zentralen Ostsee akut vom Aussterben bedroht. Dort leben nur noch wenige Hundert Tiere. Bereits ein einziges durch Fischerei getötetes Tier pro Jahr ist mehr, als diese Population verkraften kann. Tatsächlich aber sind es viele mehr. Warum wird hier das Aussterben in Kauf genommen?

Mittlerweile hat sich aufgrund der hohen Dringlichkeit sogar die EU-Kommission eingeschaltet und stellt die klare Forderung an Deutschland, Schweden und Polen, in Schutzgebieten keine Stellnetze mehr zu erlauben. Ist das Verbot einer umweltschädlichen Fischerei innerhalb von marinen Naturschutzgebieten ein größeres Opfer als das Aussterben des streng geschützten Schweinswals?

Die Meere werden inzwischen international als unsere größten Verbündeten bei der Abwehr gegen die Klimakrise angesehen. Gesunde und artenreiche Meere sind unerlässlich für deren Fähigkeit, die Folgen des Klimawandels abzumildern. Insofern ist ökologisch nachhaltige Fischereipolitik „ganz nebenbei“ auch gute Klimapolitik.

Genauso wie die Landwirtschaft benötigt auch die Fischerei einen ökologischen Umbau, um sie langfristig nachhaltig zu gestalten – ökologisch sowie ökonomisch. Umweltzerstörende Fischerei-Praktiken müssen ein Ende haben, alternative Fangmethoden entwickelt werden und Meeresschutzgebiete müssen echte und effektive Ruhezonen für die Natur sein. Wenn wir die Meere schützen, schützen wir uns selbst. Und damit auch die Fischer*innen.

Bitte setzen Sie sich persönlich und stark für den Schweinswal ein und tragen Sie durch ein Verbot von Stellnetzen in Meeresschutzgebieten zu seiner Rettung bei!

Was du sonst noch tun kannst…

Deine Unterschrift für die Petition ist schon viel wert. Es gibt aber noch ein paar weitere Dinge, die du ohne großen Aufwand tun kannst, um den Schweinswalen und dem Ökosystem Meer unter die Arme zu greifen…

  • Teile die Petition: WDC hat ein kostenloses Aktionspaket zusammengestellt, dass du nutzen kannst, um online auf das Aussterben der Ostsee-Schweinswale aufmerksam zu machen. Darin sind unter anderem Grafiken zum Teilen auf Social Media, Statement-Vorschläge für Sprachnachrichten an die Bundeslandwirtschaftsministerin und Fotorequisiten zum Ausschneiden für Selfies enthalten.
  • Spende direkt an WDC oder veranstalte eine Spendenaktion für die Schweinswale.
  • Übernimm (oder verschenke) eine Meeresschutz-Patenschaft.
  • Versuche, auf einen möglichst meeresfreundlichen Lebensstil zu achten.  Weniger Fisch zu essen ist eine der effektivsten Maßnahmen dafür, genauso wie natürlich zum Beispiel der Verzicht auf unnötiges Plastik.

Auch wenn vor allem die Politik in diesem Fall handeln muss, können wir so alle zu einem Teil der Lösung werden.

Kleine Schweinswalkunde

Gewöhnlicher Schweinswal (Phocoena phocoena)

  • Der Gewöhnliche Schweinswal lebt als einziges Mitglied der Schweinswal-Familie auch in europäischen Gewässern.
  • Die Tiere ähneln in ihrem Aussehen Delfinen, unterscheiden sich aber von ihnen durch einen kürzeren und gedrungenen Körper und eine kürzere Schnauze. Erwachsene Schweinswale können 45 bis 75 Kilogramm wiegen, ihre Körperlänge beträgt 170 bis 190 Zentimeter. Die Finne des Schweinswals ist dreieckig und ragt von der Mitte des Körpers nach oben. Dazu kommen kleine, eher rundliche Brustflossen. Auf dem Rücken sind Schweinswale dunkelgrau gefärbt, während die Bauchseite deutlich heller ist.
  • Zu Gesicht bekommt man sie eher selten, und dann in der Regel auch auch nur kurz und aus der Ferne. Gegenüber Menschen sind die Tiere nämlich vergleichsweise scheu und kommen zum Atmen nur kurz an die Wasseroberfläche. Auch Luftsprünge vollziehen sie nur selten.
  • Mehr zum Schweinswal sowie vielen weiteren Wal- und Delfinarten erfährst du im Online-Artenführer von WDC. Spannende Drohnenaufnahmen der Tiere (aus Dänemark) mit jeder Menge Infos zu ihrem Verhalten findest du außerdem in diesem Video.

© ORES Ursula Tscherter

Über Whale and Dolphin Conservation

WDC, das ist die Abkürzung für Whale and Dolphin Conservation, ist die weltweit führende gemein­nützige Organi­sation, die sich ausschließlich dem Schutz von Walen und Delfinen widmet. Die Organisation arbeitet global genauso wie national und setzt sich unabhängig und wissenschaftlich mit Kampagnen, Forschungsarbeit, Feld- und Schutzprojekten sowie Bildungsarbeit für Wale und Delfine und den Schutz ihrer Lebensräume ein. Gegründet wurde WDC 1987 in England, daneben gibt es auch Büros in Deutschland, den USA sowie in Australien.


Fotohinweis: Alle Bilder wurden mir von WDC für diesen Artikel zur Verfügung gestellt. Die Rechte liegen bei den genannten Fotograf:innen. 

© Titelbild: Chris Mellor

2 Comments

  1. Stellnetze gibt es immer noch viele. Es ist schwer, dann müssten wir auch aufhören Fisch zu essen.

    Von vielen Fischern hört man, dass sie den Kormoran hassen. Ich weiss nicht ob sie den Schweinswal lieben. Sie wissen, dass die Leute ihn lieben. Da gibt es so einige Geschichten wie diese dann verschwunden sind.

    • Fräulein Draußen Reply

      Man kann auch ohne Stellnetze Fische fangen, aber ja, müssten „wir“ so oder so. ;-) Fischkonsum, wie er aktuell stattfindet, ist nicht nachhaltig.

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