Zuletzt aktualisiert am 25. Februar 2016

Viel Fantasie braucht man nicht, um sich vorzustellen, dass im Zion National Park im Westen der USA die Engel landen und bei einem gediegenen Glas Rotwein in die tiefe Schlucht des Canyons blicken. Seine Schönheit wär’s wert. Den perfekten Platz dafür gibt es auch schon. Passenderweise trägt der den Namen „Angels Landing“. Und bei dessen Anblick braucht man noch weniger Fantasie, um sich vorzustellen, dass man bald selbst zu diesen Engeln gehört. Weil man nämlich gepflegt von den Klippen gefallen ist.

Angels Landing ist eine 1765 m hohe Felsformation, deren Gipfel über einen rund 4 Kilometer langen Weg mit 450 m Höhendifferenz zu erreichen ist und eine spektakuläre Aussicht über den Canyon des Zion National Park bietet. Der Trail, der bereits 1926 fertiggestellt wurde, zählt zu den meistbegangenen im ganzen Nationalpark. Von mir wurde er allerdings nicht begangen. Denn ich habe mich im letzten Moment entschieden, dass ich doch (noch) kein Engel sein möchte.

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Erst noch ganz mutig…

Die ersten 3 km des Trails sind harmlos und verlaufen über meist begradigte Wanderwege. Dann ist man am Beginn des Grades und damit an der ersten mentalen Weggabelung, der die Mutigen von den sagen wir mal etwas weniger Mutigen trennt. (Allerdings nicht die Bergschuhträger von den Sandalenträgern, wie ich mit Erschütterung feststellen musste.) Ich dachte natürlich, dass ich zu den Mutigen gehöre, und bin weitergegangen. Rechts neben mir wurde mir relativ schnell und deutlich veranschaulicht, wie hoch 1500m doch sein können. Aber egal. Einfach nicht hingucken. Links neben mir war ja noch eine Wand mit Kette zum festhalten. Alles gut.

Und dann doch kneifen!

Nach ersten kleinen Schweißausbrüchen kamen wir zur zweiten mentalen Weggabelung. Und dort war endgültig Ende Gelände für all diejenigen, die doof genug sind sich vorzustellen, wie schmerzhaft es sein muss, nach 1700m freiem Fall auf astreiner Ich-bin-kein-Geologe-daher-irgendwas-Gesteinsschicht aufzuprallen. Ein schmaler Pfad, der sich über einen nicht viel breiteren Felsen mit steil abfallenden Wänden entlang schlängelt, auf dem stellenweise kaum zwei Leute nebeneinander Platz haben. Das war schon ein nicht ganz unbeeindruckender Anblick. Ein bisschen zu viel nicht ganz unbeeindruckend für meinen Geschmack.

Da wo ich war, war es eigentlich auch ganz schön. Niemand muss wirklich auf Angels Landing gehen. Und was soll denn auch immer dieser Größenwahn? Man muss ja nicht überall rauf und rein und drumrum. Lasst mich mal alle schön in Ruhe. Ich setz mich jetzt hier hin und schlaf in der Sonne. Hab ja schließlich Urlaub. Und außerdem Hunger. Ich ließ mich von meiner eigenen Argumentationskette überzeugen, während meine Reisebegleitung M. tapfer und mutig Angels Landing erklomm.

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Spaß auch ohne Engel

Man kann allerdings nicht behaupten, dass ich weniger Spaß hatte. Denn die Leute zu beobachten war vielleicht fast genauso gut wie das, was M. erlebte. Wie sich manche beim ersten Blick auf den Grad geradezu erschauderten und fluchend den Rückzug antraten, andere hingegen locker-flockig mit Sandalen weiter liefen und wieder andere sich langsam vortasteten, nicht ganz wussten, was sie tun sollten, und dann nach 10 Minuten kopfschüttelnd wieder zurück kamen.

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Die Entschädigung

Als meine Begleitung frohlockend zurück kam (zum Glück nicht als Engel), war ich trotz aller Euphorie immer noch ganz froh, dass ich mich nicht hatte überzeugen lassen. Zumal sich mittlerweile eine lustige kleine Versager-Gruppe gebildet hatte, die über Höhenangst im Speziellen und den Sinn des Lebens im Allgemeinen philosophierte. Bester Laune (aus unterschiedlichen Gründen) setzten wir unsere Wanderung fort, denn unser eigentliches Ziel war die West Rim Spring, eine kleine Quelle hoch oben in den Bergen des Parks.

Abseits ausgesetzter Wege und zahlreicher Engelsanwärter konnte man jetzt auch endlich mal in Ruhe die ganze Schönheit des Nationalparks genießen. Hier inmitten uralter Gesteinsschichten und weitläufiger Bergmassive waren es keine Engel, die man sich hinter der nächsten Biegung vorstellen konnte, sondern viel mehr Dinosaurier und anderes Urzeitgetier. Und die sind mir irgendwie auch sympathischer.

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Am tollsten wären natürlich Dinosaurierengel. Aber die waren nur M. vergönnt. Heute, zwei Jahre und viele Bergtouren später, würde ich mich glaub ich auch auf den imposanten Felsen trauen. Wenn’s sogar die mit den Sandalen überlebt haben… Glücklicherweise hab ich aber gar nicht so viel verpasst, denn die Wanderung am nächsten Tag bescherte mir einen noch viel besseren Blick auf den Canyon. (Mehr dazu bald.)

Wär Angels Landing was für Dich oder würdest Du auch eher dankend ablehnen? Oder warst Du sogar schon dort? Erzähl mir mehr in den Kommentaren!

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2 Comments

  1. Pingback: Bucket List - USA - Travelroads

  2. Hallo Kathrin,

    oh mein Gott! Beim Lesen deines Beitrages wurden gerade Erinnerungen wach und meine Hände sind leicht schwitzig während ich diese Zeilen tippe. 2 Freunde und ich waren 2014 in den USA unterwegs und wir machten ebenfalls im Zion National Park Stopp. Auch Angels Landing stand auf unserem Plan und ich kann gut nachfühlen wie es dir ergangen sein muss. Meine beiden Begleiter berichten freudestrahlend und völlig euphorisch vom Ausblick und dem Nervenkitzel. Ich wiederum machte in der Zwischenzeit einen anderen entspannten Trail, der ohne Höhenangst zu bewältigen war :D auf jeden Fall Danke für das deja-vu ;)

    Liebe Grüße
    Martin

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