Über 400 Geisterstädte gibt es in den USA. In den entlegensten Winkeln von Kalifornien, Nevada, Idaho & co. entstanden sie einst zur Zeit des Goldrausches – und genauso schnell wie sie entstanden, waren sie meist auch wieder verlassen. Manche von ihnen werden zu touristischen Zwecken erhalten oder kosten gar Eintritt, andere wiederum sind völlig sich selbst überlassen.

Ich war auf meiner Reise durch den Westen der USA in einem, wie ich finde, ganz besonderen Geisterstädtchen. In Rhyolite. Da fand ich es ziemlich toll. Rhyolite ist nämlich, und da bin ich mir relativ sicher, obwohl ich keine andere Geisterstadt besucht habe, ein bisschen viel verrückter als andere Geisterstädte. Und zwar ehrlich verrückt. Und nicht irgendwie so pseudoverrückt.

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Angefangen mit der Verrücktheit hat es eigentlich schon vor dem Abstecher nach Rhyolite, denn da durfte ich eine 3-tägige Gehirnwäsche in Las Vegas über mich ergehen lassen. Der letzte Abend dort war wie immer der schlimmste, und ehrlich gesagt verbrachte ich die knapp 2 Stunden Fahrt von der Vergnügungshölle in die tote Stadt hauptsächlich schlafend, in meinen Schlafsack gemummelt auf dem Beifahrersitz. Verpassen tut man da aber nicht so viel, außer die Area 51, ein hermetisch abgeriegeltes US-Militär-Gelände, auf dem vermutlich schon längst irgendwelche Aliens die Oberhand gewonnen haben und wilde Wüstenpartys feiern.

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Als ich meine Augen dann am Eingang zur Rhyolite Ghost Town wieder aufschlug, waren sie fort – die Lichter, die Margaritas, die Shopping Malls, mein Ritterhotel, in dem ich als Burgfräulein residierte.. da war quasi nichts mehr. Außer endlose Wüste und etwas, das einmal ein kleines Städtchen mit über 10.000 Einwohnern, und damit die drittgrößte Stadt Nevadas gewesen war. Viel übrig ist davon jetzt allerdings nicht mehr – der Großteil von Rhyolite bestand aus Holzhäuschen, die so gut wie alle das Zeitliche gesegnet haben. Von drei Eisenbahnlinien, einer Telegraphenstation, einem Elektrizitätswerk, drei Zeitungen, 50 Goldminen, einer Oper, einer Symphonie, drei Krankenhäusern, einem öffentlichen Schwimmbad, 19 Hotels, 18 Drugstores sowie 53 Saloons stehen heute nur noch die Reste einiger Gebäude wie zum Beispiel Schule, Bahnhofsgebäude oder Bank. Hier liegt ein bisschen Metall-Schrott, da steht ein altes, verrostetes Auto und dort erlebt ein alter Wagon der Union Pacific Railroad seine letzten Tage im staubigen Sand. Rhyolite_Mercantile_Fraeulein-Draussen

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Und dann… ja dann ist da noch Tom Kelly’s Bottle House, und das ist tatsächlich ein Haus erbaut aus Flaschen. Genauer gesagt aus ca. 30.000 Flaschen, und zwar nicht etwa aus Wasserflaschen, sondern ausschließlich aus Schnaps- und Bierbehältnissen. Alles andere hätte mich auch schwerst enttäuscht. Der gute alte Tom begann 1905 mit dem Bau und schon später gute fünf Monate später hatte er sein Bottle House fertig gestellt. Und das mit 76 Jahren! Reife Leistung. (Arme Leber) Und dann hat er noch nicht mal darin gelebt, sondern es verlost! Ganz Rhyolite hatte für fünf Dollar pro Los die Chance, in einem netten kleinen Haus mit drei Räumen zu wohnen, das eben einfach nur etwas anders war als andere Häuser. (Gewonnen hat übrigens Familie Bennett, die bis 1914 in dem Haus gelebt hat.) 2005 wurde das Haus etwas restauriert und stabilisiert (und wenn sie nicht gestorben sind, dann trinken und bauen sie noch heute.)

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Aber nicht nur früher passierten verrückte Dinge in Rhyolite, auch heutzutage kann man dort mehr entdecken als nur ein paar Ruinen. Zum Beispiel eine Reihe weißer Geisterskulpturen, die wahrlich gespenstisch aussehen. Oder eine eher leicht bekleidete blonde Dame im Lego-Stil. Oder einen Bergarbeiter, der einen Pinguin in der Hand hält. Die Kunst hat in Rhyolite Einzug gehalten. Die Skulpturen wurden von dem belgischen Künstler Charles Albert Szukalski geschaffen, der Ende der 80er einige Zeit in Rhyolite lebte und sich ganz offensichtlich in dieser Zeit ziemlich ausgetobt hat. Ich finde ja, dass es viele Orte gibt, an denen Kunst irgendwie nervt. Aber In Rhyolite ganz bestimmt nicht. Der Ort ist so unwirklich und die Kunstwerke, die sich wie Neonlampen von der Wüste abheben, perfektionieren diese Stimmung.

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Verrückt. Verrückt war auch der Mann, der in dem kleinen, liebevoll hergerichteten Besucherzentrum begeistert von Rhyolite und dem Leben damals erzählte. Denn plötzlich fing er einfach an Flöte zu spielen. Und als er das tat bin ich beinahe geplatzt vor Begeisterung. Begeisterung über einen Ort, der so tot und doch so voller Leben ist.

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Meine Lieblingsgeschichte aus Rhyolite habe ich aber für den Schluss aufgehoben:

Denn in Rhyolite gab es mal einen Esel. Und der Esel war… na was wohl.. ein bisschen verrückt. Der Esel hieß Maude und war einer der frühen Bewohner von Rhyolite. Und Maude mochte Pancakes. Da Esel keine Pancakes machen können, stelle Maude sich jeden Morgen vor’s Newton Grill und wartete auf sein Pancake-Frühstück. Dabei war Maude äußerst störrisch und beharrlich, wie es sich für einen anständigen Esel gehört. Somit wartete Maude so lange vor dem Eingang zum Restaurant, bis das Pancake-Frühstück geliefert wurde.

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Wer mehr über Rhyolite und seine kleinen und großen Verrücktheiten erfahren will und demnächst nicht zufällig auf dem Highway 95 von Las Vegas ins Death Valley fährt , (obwohl ich das wärmstens empfehle!), für den gibt es hier auf einer äußerlich eher scheußlichen, aber inhaltlich sehr liebevoll gestalteten Seite noch viele Geschichten und noch mehr Fotos aus Rhyolite. Aber Obacht: “Don’t forget to go to the sitemap, there are some places you can not get from here. After all, it’s a ghost town.

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6 Comments

    • Fräulein Draußen Reply

      Dankeschön! :) Das Wetter hat’s mir aber auch leicht gemacht mit dem blauen Himmel und den Wolken..

  1. Haha, wie cool ist das bitte?!
    Ich finde die Skulpturen auch meeega gut und machen den Ort zu was Besonderem! Vielen vielen Dank fürs ‘Mitnehmen’ – Maude ist echt die beste Story ^^

    Lieben Gruß!
    Corinna

  2. Hallo,

    die Bilder finde ich auch toll.

    Ich war 2011 dort, da standen die Geisterskulpturen und die Dame aus Lego aber noch nicht. Das sieht “live” bestimmt toll aus.

    Liebe Grüße,
    Julia

    • Fräulein Draußen Reply

      Hi Julia,

      ohja. Der Kontrast ist einfach so cool – schräge Kunst vs. nichts als Wüste und ein paar kaputte Häuser. Aber ich hätte Rhyolite sicher auch ohne die Skulpturen toll gefunden :) Die waren nur das i-Tüpfelchen. Cool dass Du auch da warst!

      Viele Grüße
      Kathrin

  3. Hey, da war ich auch schon!

    Die Bodie Ghost Town fand ich übrigens auch super. Ich hoffe, dass uns dieses Jahr in Kanada auch so einige Ghost Towns über den Weg laufen!

    Lg
    Dani

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