Da oben hauste vor vielen vielen Jahren eine wunderbare Bergfee. Sie lebte in ihrer Felsenburg hoch oben zwischen Chapütschöl und Munt Pers, dort wo – eingefasst von Felsentürmen und großen Geröllhalden – mitten in einer blumenbedeckten Bergweide, ein tiefblauer See die Sonne widerspiegelt, dort wo ganze Rudel von munteren Gämsen sich tummeln und im saftigen Gras weiden, dort wo die Berghühner gackern, hochfliegen, dann im elegantem Gleitflug landen, um zu weiden und weiter zu gackern, dort wo die Schneehasen mit offenen Augen träumen und schliesslich aufgeschreckt in gestrecktem Galopp davon sausen.

Das herrliche Weib wurde nur selten und flüchtig von Jägern erblickt und mit Vorliebe dann bestaunt, wenn sie über die Felsbände des Munt Pers zum “Lej da la Diavolezza” hinüberwechselte, um dort ein erfrischendes Bad zu nehmen. Dann allerdings wurden die jungen Jäger ganz vernarrt und unvorsichtig. Sie folgten ihr, die stets von ihrer Gämsherde bewacht war, über die Felsgänge bis hinüber zu ihrem Felsenschloss.

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Was dann dort geschah, das weiss man nicht, man ahnt es nur. Ein Jäger nach dem anderen verschwand und verlor sich am Munt Pers (“verlorener Berg”). So auch Aratsch, ein stattlicher Jüngling aus dem Dorf. Er kehrte von der Jagd nicht mehr zurück. Überall wurde vergeblich nach ihm gesucht und schließlich musste man annehmen, er sei auch in die Gletscherbrüche am Pers gefallen oder irgendwo abgestürzt. Denn wer bis Einbruch der Nacht sich in der Region des Bernina-Massivs aufhielt, hörte, vom Winde getragen, die Klagestimme der Diavolezza, die ausrief: “mort ais Aratsch” (Aratsch ist tot).

Das erzählte man sich von Generation zu Generation und nannte dann die schöne Alp im Kessel der Berninagruppe Alp Morteratsch. Aber die Diavolezza hatte keine Ruhe bis nicht der Gletscher vorrückte und die ganze Alp bis hinunter ins Tal mit Eis und Geröll zugedeckt war. Dann verliess sie die Gegend mit dem Klageruf: “davent dal Munt dal Pers” und wurde nie mehr gesehen.*”

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Heutzutage geht es etwas weniger dramatisch im Reich der Teufelin zu. Die 1000 Höhenmeter lassen sich vom Tal aus bequem mit einer Seilbahn erledigen und oben erwartet einen ein großes, modernes Berghaus, das alle Annehmlichkeiten zu bieten hat, die man sich nur wünschen kann. Und dennoch hat es etwas Magisches an sich, im “Festsaal der Alpen” zu stehen, umringt von den höchsten Bergen der Ostalpen und mächtigen Gletschern.
Noch besser genießen kann man den Anblick natürlich, wenn man die ~900 Höhenmeter von Pontresina bis zur Diavolezza zu Fuß bewältigt hat. Vorbei an kargen Felslandschaften, türkisen Bergseen, über Geröllfelder und Gletscherreste.

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Während der Weg am Anfang noch über einen Fahrweg verläuft, der im Winter wohl als eine der Skipisten dient, darf man bald schon einem kleinen Wegweiser Richtung “Lej da Diavolezza” folgen und voll in die hochalpine Bergwelt eintauchen. Und der Lej da Diavolezza ist ein wahres Juwel in eben dieser. Unglaublich super-ober-türkis-blau-grüne Bergseen gibt es nämlich längst nicht nur in Kanada! Wie auch die Blicke auf den Lago Bianco beweisen, die man während dem Aufstieg immer wieder in sich aufsaugen darf…

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Bald nach dem Lej Diavolezza erblickt mann die ersten schneebedeckten Gipfel der Berninagruppe – zwischen dem vollen Ausblick auf Piz Palü, Piz Bernina & Co. liegen jedoch noch “ein paar” anstrengende Höhenmeter. Irgendwann sind aber auch die geschafft, und die Belohnung für die Strapazen ist wirklich mehr als ausreichend:

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Im Berghimmel angekommen hätte eigentlich gar nichts mehr gefehlt zum vollkommenen Bergsteigerglück. Das Berghaus Diavolezza hat aber trotzdem nochmal einen draufgesetzt. Brozeitbrettl und Bier, Jacuzzi mit Gletscherblick, 4-Gänge-Menü. Ich wusste nicht so ganz, wie mir geschieht. Ich hab die ganze Zeit nur auf den riesigen Vogel gewartet, der mir einen noch riesigeren Klumpen Vogelkot auf dem Kopf platziert, damit das Gleichgewicht des Universums wieder hergestellt ist. Irgendwie kam der aber nicht.

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Am nächsten Morgen war all die wunderbare Pracht in dichten Nebel gehüllt. Der war jedoch insgesamt eher unentschlossen und gab in regelmäßigen Abständen Ausblicke auf die Berghänge und Gletscher frei. So sollte es auch während der nach-frühstücklichen Bergtour auf den Nachbargipfel des Munt Pers (3207m) bleiben. Oben auf dem Gipfel hatten wir leider kein Glück mit den Ausblicken, aber zwischendurch war der Nebel immer mal wieder gnädig und zeigte einen Ausschnitt des umliegenden Wunderlandes.

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Nach der erfolgreichen, aber aussichtslosen (im wahrsten Sinne des Wortes) Besteigung des Munt Pers ging es wieder zurück zur Diavolezza und von dort aus – ein Hoch auf die Moderne – mit der Seilbahn zurück ins Tal. Ich weiß nicht, ob es am Jacuzzi und dem viel zu teuren Pinot Noir vom Vorabend lag oder doch an den Überresten der Magie der teuflischen Bergfee, aber verzaubert hab ich mich nach diesem Wochenende definitiv gefühlt.


Infos zur Bergwanderung auf den Munt Pers über das Berghaus Diavolezza

Ausgangspunkt: Talstation der Diavolezza-Seilbahn (Pontresina direkt am Berninapass)

Höhenmeter insgesamt: 1114 (bis zur Diavolezza knapp 900)

Anforderung: leichte Bergwanderung auf teils schmalen Pfaden – etwas Trittsicherheit ist von Vorteil; detaillierte Tourenbeschreibung

Übernachtungstipp im Tal: Das Berninahaus liegt abseits, ruhig und dennoch zentral und gut zu erreichen (die UNESCO-geschützte “Rhätische Bahn” hält quasi direkt vor der Haustür), hat eine sehr gute Küche und Doppelzimmer gibt’s ab 180 CHF. Zudem sind es von hier aus nur einige hundert Meter bis zur Talstation der Diavolezza-Seilbahn.

Übernachten im Berghaus Diavolezza: Vom günstigen Gruppenzimmer bis zum Doppelzimmer “Plus” gibt es verschiedene Kategorien und Zimmergrößen im Berghaus Diavolezza. Eine Nacht im Gruppenzimmer gibt es ab 80 CHF inklusive Bahnfahrt, Abendessen und Frühstück.

Im Sommer ist die Diavolezza Ausgangspunkt für eine Vielzahl von alpinen Unternehmungen von einfachen Bergwanderungen bis zu luftigen Klettersteigen und Hochtouren. Die Bergsteigerschule Pontresina bietet von hier aus auch geführte Gletschertouren an. Im Winter ist das Gebiet ein Mekka für Skifahrer. Skitouren, Vollmond-Skifahren und ewig lange Gletscherabfahrten sollten keine Wünsche offen lassen.

10 Comments

  1. Hehe, was für ein super Wochenende, auch wenn es nicht ganz so aussichtsreich war – aber hey, der Jacuzzi ist echt porno!!! ^^

    Ich war Anfang des Jahres im Val d’Anniviers in der Schweiz und dort gibt es ein altes Hotel oben auf nem Berg – Hôtel Weisshorn. Ich kam mir dort vor wie in dem Film ‘Grand Budapest Hotel’. Auch eine eigene Welt für sich und irgendwie eine parallele Realität ;)

    Tolle Fotos hast du aus dem magischen Reich mitgebracht!

    Liebe Grüße!
    Corinna

    • Fräulein Draußen Reply

      Huhu!! Na der erste Tag war ja zum Glück schon sehr aussichtsreich. :-) Da ließ sich der Nebel am zweiten Tag einigermaßen verschmerzen.

      Das Hotel klingt ja cool! Ich liebe den Film!!! Muss ich mir gleich mal angucken. :-)

      Danke Dir
      Kathrin

  2. Liebe Kathrin, das sind wunderschöne Bilder!
    Ich kenne Diavolezza, Morteratsch, Corvatsch, Piz Nair, etc. nur schneebedeckt, weil ich vor Ewigen Zeiten dort mehrmals Skifahren war (Ausgangspunkt Samedan). Leider hat eine langwierige Bänderdehnung bei einer Abfahrt am Corvatsch meine Skikarriere für lange Zeit beendet :-( Unvergessen: Die Kopfüber-Buckelpisten-Abfahrt in der Trage des Sanitäters. Ebenso unvergessen die sonnigen Pausen an der Diavolezza-Bergstation und Abfahrten im T-Shirt in den Osterferien. Und trotz vier Jahren Schweiz bin ich nicht mehr in Graubünden gewesen – es hat sich einfach nicht ergeben. Aber ich möchte da unbedingt nochmal hin – nicht zuletzt wegen deiner schönen Fotos und der Geschichte, die ich noch gar nicht kannte.
    Danke dafür!
    Liebe Grüße
    Petra

    • Fräulein Draußen Reply

      Hallo Petra,

      und danke Dir! :) Die Kulisse dort ist aber auch einfach wirklich spektakulär. Im Winter wär ich auch mal gern dort! Hab neulich irgendwann mal eine Reportage gesehen über Menschen, die im Winter eine Skitour von der Diavolezza auf den Piz Palü gemacht haben… zu schön um wahr zu sein!!

      Viele Grüße
      Kathrin


      • ​Liebe Kathrin, dann musst du mal im Winter hin und ich im Sommer :-)
        Alles Liebe aus dem leider sehr platten Berlin
        Petra

  3. Hi Kathrin
    Vorweg, starke Seiten mit schönen Bildern und guten Inhalten.
    Ich selber finde den Namen deiner Seite so richtig cool. Bei uns in der Schweiz gibt es auch eine Schauspielerin, die nennt sich Frölein Da Capo, und die ist auch so richtig gut.
    Alles Gute
    Rolf

  4. Hallo Kathrin!

    Toller Artikel über deine Wanderung in der Schweiz, mit so tollen Bildern :-) Ich war letztes Jahr das erste Mal dort und hab mich in die Schweiz verliebt :-) Wir waren für ein paar Tage in Locarno und haben dort mehrere Rundwanderungen unternommen. Ich werde sicherlich wieder in die Schweiz zum wandern reisen. Einfach zu schöööön :-)

  5. Werner Meier Reply

    Naja, genau diese Strecke würde ich nicht wandern, wer wandert schon einer Seilbahn entlang hoch auf skilauf-optimiertem Gelände ? Dort gibt’s um einiges schöneres und urtümlicheres zu erlaufen: Val Roseg, Val di Campo, Bergell, … Vielleicht auf ein nächstes Mal ?

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